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Atlantic Affairs


"Onda sonora" - Klangwelle - wurde als Titel der vorliegenden Compilation "Red Hot + Lisbon" mit Bedacht gewählt, denn die Verantwortlichen wollten mit dem Album den Seeweg einstiger portugiesischer Eroberer nach Lateinamerika nachzeichnen und dabei die wechselseitige Beeinflussung der Kulturen auf beiden Seiten des Atlantiks ergründen. Der Gedanke für dieses weitere Album aus der AIDS-Benefiz-Reihe "Red Hot" kommt nicht von ungefähr: Die Macher verweisen darauf, wie eng nicht nur der kulturelle Austausch mit den Reise- und Handelswegen verwoben ist: "Ironischerweise, wie viele durch Sozialkontakte verbreitete Krankheiten, hat sich auch AIDS entlang der Reise- und Handelsrouten ausgeweitet, ganz genau in der gleichen Art wie vorher positive kulturelle Exporte der Sprachen und der Musik."

"Onda sonora" knüpft gezielt an die positive Aspekte des kulturellen Austauschs an und zeigt anhand von vierzig beteiligten Musikern, die aus elf verschiedenen Ländern stammen und in insgesamt sieben Sprachen singen, wie eng die gegenseitige Beeinflussung der Kulturen Portugals, Brasiliens und der afrikanischen Atlantikküste tatsächlich ist.

Von südamerikanischer Seite aus sind u.a. so bekannte brasilianische Stars wie Caetano Veloso (im Duett mit David Byrne), Marisa Monte, Carlinhos Brown, Naná Vasconcelos und Soundtüftler Arto Lindsay vertreten. Aus Großbritannien stammt die Acid Jazz- und Triphop-Band Smoke City. An "Onda sonora" sind sie mit der portugiesischen Fassung ihrer 1997er Single "Mr. Gorgeous" beteiligt: "O cara Lindo".

Auch ein anderes Experiment wird auf dem 1998 erschienen Album vorweg genommen: Die portugiesische Gruppe Madredeus ("Lisbon Story"), die im Frühsommer 2002 ihr Remix-Album "Electronico" veröffentlichte, ist auf "Onda Sonora" bereits mit einer Ambient-inspirierten Fassung ihres Titels "Os dias sao à noite" (Suso Saiz Remix) zu hören. Madredeus-Keyboarder Carlos Maria Trindade ist außerdem an einem weiteren Titel beteiligt: "A Névona", nach einem Text des portugiesischen Nationaldichters Fernando Pessoa, gesungen von Fado-Rebell Paulo Bragança.

Wie es der besonderen Herangehensweise der Red Hot-Reihe entspricht, sind alle Künstler nicht mit ihrem Standard-Repertoire vertreten, sondern mit bislang ungehörten und unerwarteten Sounds. In dieser Hinsicht ist der Beitrag der US-amerikanischen Countrypop-Sängerin K.D.Lang besonders bemerkenswert und in seiner Art repräsentativ für die superbe und überraschende Zusammenstellung: K.D. Lang ist nämlich mit einem typischen Fado zu hören: "Fado Hilário", auf Portugiesisch gesungen, in klassischer Besetzung mit portugiesischer Gitarre sowie zusätzlichem Akkordeon und Geige.

Das interkulturelle Zusammentreffen komplettieren verschiedene afrikanische Musiker, darunter der Angolaner Filipe Mekenga mit flottem Afro-Discosound und die furiose Percussionband Netos do N'Gumbé aus Guinea-Bissau.

Wer also ein klassisches Fado- oder Bossanova-Programm erwartet, wird eines Besseren belehrt, denn "Onda sonora" ist sehr modern, elektronisch, experimentierfreudig, manchmal avantgardistisch, selbstbewusst, anregend und von der gleichen außerordentlichen künstlerischen Qualität wie die anderen Alben der "Red Hot"-Reihe, die wir an dieser Stelle bereits vorgestellt haben.

Michael Frost, 01. August 2002


Tipps zu ähnlichen CDs und Bands:

David Byrne, Ketama, Bebel Gilberto, Arto Lindsay, K.D. Lang, Mísia, Madredeus, Jun Miyake, Dulce Pontes, Marcio Faraco, Joyce, Cesaria Evora

 


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