Es
dürfte eine ausgemachte Überraschung sein, dass eines der
viel versprechendsten Talente des Bossanova nicht etwa aus Brasilien
kommt, wo diese Musik seit Jahrzehnten ihr Zuhause hat - nein, mit Jun
Miyake hat der Bossanova einen begeisterten Anhänger im fernen
Japan gefunden, dessen Musiktradition mit der Leidenschaft der Latino-Rhyhthmen
eigentlich unvereinbar zu sein scheint.
Nun,
Jun Miyake ist ein Soundkünstler, der sich dem Bossanova unvoreingenommen,
wie er sagt, "unschuldig" nähert und sich auf die Suche
nach der Seele dieser leisen, etwas wehmütigen und melancholischen
Musik nähert, die dann am besten ist, wenn der sonore Gesang
von möglichst wenigen Instrumenten - oft nur einer Gitarre -
begleitet wird.
Für
beide Parts holte sich Miyake die Unterstützung ausgewiesener
Experten: Arto Lindsay ist einer der profiliertesten Bossanovasänger
Brasiliens, der auch die Texte der Stücke auf "Innocent
Bossa in the mirror" schrieb, und mit Vinicius Cantuaria kam
ein nicht minder begabter Gitarrist mit ins Studio.
Die
eigentliche Herausforderung bestand für Miyake somit in der Komposition
der Lieder und ihrer Instrumentierung. Und Miyake wäre nicht
der hoch gelobte Soundkünstler, der er seit seinem letzten Album
"Mondo erotica" ist, wenn er es nicht verstehen würde,
die ruhigen, aber dennoch treibenden und temperamentvollen Rhythmen
Brasiliens brilliant in Szene zu setzen.
Die
bloße Imitation des "klassischen" Bossanova ist seine
Sache dabei nicht: Miyake bringt seine Stärken, die Jazz- und
Ambient-Elemente, das Flügelhorn, Flöte, Klarinette und
vorsichtige Samples, Scratches und Loops mit ein, ohne dass hierdurch
allerdings der intime Charakter der Stücke, des Gesangs oder
der der Rhythmus bestimmenden Akustikgitarrer verloren ginge.
Im
Gegenteil: Mit "Inncent bossa in the mirror" hebt Jun Miyake
den Bossanova auf eine neue, zeitgemäße Ebene und eröffnet
diesem großartigen Musikstil damit eine ungeahnte Perspektive.
Michael
Frost, 06. April 2002