Seither
versammelt sie die Elite des Landes um sich mit der Bitte: Schreibt
für mich und musiziert mit mir ! Sie entdeckte die Gedichte
des großen Fernando Pessoa für sich und den Fado, bat
u.a. Saramago, Lobo Antunes und Lidia Jorge darum, ihr Texte zu
schreiben, und nicht zuletzt lud sie die berühmte Pianistin
Maria João Pires ein, ihre Lieder musikalisch zu begleiten. Und
alle folgten ihrem Ruf.
Mísias
gefühlvolle und ausdruckstarke Stimme intoniert den Fado
mit sicherem Gespür für Melodie und Text. Sie zelebriert
den Fado, sie zelebriert die Kultur ihrer Heimat, und die Authentizität
ihres Vortrags ist ein Schlüssel ihres Erfolges: Ihr Wagemut
hat sich ausgezahlt.
Der
Fado, als traditioneller Musikstil eigentlich konservativ und
unverrückbar, ist hörbar erneuert worden, ohne dass
seine Identität dabei verletzt oder gar verloren gegangen
wäre. Im Gegenteil.
Die Renovierung ist in Wirklichkeit Restaurierung. Mísia
führt den Fado zu seinen Ursprüngen zurück, entstaubt
ihn von touristischer Portwein-Seeligkeit und befreit ihn aus
der künstlerischen Isolation, indem sie die Verwurzelung
des Fado in der portugiesischen Folklore, wie sie so erfolgreich
von Madredeus verkörpert wird, ebenso freilegt wie die Verbindungen
zur klassischen Musik.
Ihren
Höhepunkt findet die Auseinandersetzung Mísias mit
dem Fado in dem Album "Ritual" (2001). Mísia
nutzte dafür ihre Erfahrungen der vorangegangenen Produktionen
und zog alle Register, um dem Fado die Aura und die Stimme zu
verleihen, unter deren Einfluss er zur vollen Blüte gelangt.
Während
zwischenzeitlich viele andere talentierte Portugiesinnen versuchen,
ihrem Beispiel zu folgen und den Fado für sich zu entdecken,
ist Mísia jedoch schon wieder einen Schritt weiter. Auf
"Canto", ihrem neuen Album, interpretiert sie Lieder,
die der berühmte Komponist Carlos Paredes ursprünglich
für portugiesische und klassische Gitarre geschrieben hatte.
Mísia übernimmt deren Melodieläufe und singt
Texte, die eigens für sie von dem Dichter Graça Moura
geschrieben wurden.
Für
"Canto" verlässt sie den Fado und bewegt sich in
die Richtung der klassischen Ballade, der klingenden Landschaftsmalerei,
dem kunstvollen Verschmelzen von Vokal- und Instrumentalmusik.
Die rauschhafte Schönheit ihres Gesangs setzt dabei nicht
nur den Kompositionen Paredes' ein Denkmal, sondern macht auch
Mísia zu einer der bedeutendsten Interpretinnen europäischer
Musik unserer Zeit.
Michael
Frost / 01. November 2000
Update: 12.Oktober 2003
Fotos: Augusto Brazio / www.misia-online.com
Zitate: bonner-illu.de