Schon
aufgrund seiner Biografie - der US-Amerikaner wuchs in Brasilien auf
- gilt Arto Lindsay als Wanderer zwischen den Welten. Sein begnadetes
Gespür für ungewöhnliche Klangkompositionen zwischen
anglo- und lateinamerikanischen Einflüssen machten ihn zu einem
gefragten Produzenten, Komponisten, Texter und Gesangspartner:
Ob für den Dramaturgen Heiner Müller, David Byrne, Laurie
Anderson, Jazz Passengers, Ryuichi Sakamoto, Brian Eno oder fast die
gesamte Creme de la Creme des brasilianischen "Tropicalismo"
wie Caetano Veloso, Marisa Monte, Gal Costa, Carlinhos Brown - Arto
Lindsay ist ein rastloser Reisender zwischen den Welten, der aus einem
unerschöpflichen Reservoir kreativen Inputs schöpft.
Nach seinem letzten Projekt, einem klassischen Bossanova-Album des
japanischen Jazz-Trompeters Jun Miyake nutzt Arto Lindsay sein ganzes
Können einmal wieder für ein eigenes Album. "Invoke"
ist ein ambitioniertes Experiment zwischen relaxtem Latin-Sound und
dissonanten Hiphop, Drums'n'Bass- und Nujazz-Elementen.
Einen
großen Anteil an der aufwühlenden Atmosphäre des Albums
haben diverse junge Musiker, die Lindsay um Mitwirkung gebeten hatte.
"Nacao Zumbi" etwa ist eine Nachwuchsband, die mit der Verbindung
von Rock, Hiphop und brasilianischer Folklore experimentiert. "Avey
Tare and Panda Bear" ist ein experimentierfreundiges Quartett
aus New York, mit der er das Stück "In the city that reads"
einspielte.
Mit
der typisch zurückgenommenen und sonoren Stimme eines Bossanova-Interpreten
fügt Arto Lindsay die nord- und südamerikanischen Einflüsse
seines Sounds zusammen. Entsprechend singt er sowohl auf Englisch
als auch auf brasilianischem Portugiesisch.
Raffiniert
arrangiert er elektronische Beats und akustische Gitarren zu einer
neuen Einheit, die schließlich weder in New York noch in Rio
de Janeiro eindeutig verortet werden kann: "Invoke" ist
eine perfekte Symbiose der beiden "Amerikas" mit viel Freiheit
für die unterschiedlichsten - manchmal für gegensätzlich
gehaltenen - Kulturen.
Michael
Frost, 8. Juni 2002