Als
Frontfrau der Kultband "Siouxsie & The Banshees" war Siouxsie
in den 80er-Jahren gewissermaßen der weibliche Gegenpart zu Robert
Smith und seiner Band The Cure. Zeitweise diente' Smith seiner
schillernden Kollegin sogar als Banshees-Gitarrist.
Doch
während The Cure sich im Laufe der Jahre das Profil ihres Sounds
schärften, sich zwischendurch Auszeiten genehmigten, sich gelegentlich
sogar neu formierten, insgesamt jedoch zu einer der einflussreichsten
und erfolgreichsten Rockbands weltweit avancierten, lösten sich
Siouxsie & The Banshees 1996 endgültig auf.
Dass
Siouxsie, die eigentlich Susan Janet Ballion heißt, nun, elf
Jahre später, als Solokünstlerin auf die Bühne zurückkehrt,
ist einerseits eine Überraschung, weil ihre Kreativpause ungewöhnlich
lang dauerte, andererseits aber auch nicht: zu sehr ist man es inzwischen
gewohnt, das aufgelöste Bands wieder zusammen kommen, Interpreten,
die dem Musikgeschäft mit großem Mediengetöse endgültig
abschworen, Jahre später plötzlich wieder auftauchten, manchmal
nur als schwacher Abglanz einstiger Größe, überraschend
häufig jedoch geläutert, gereift und stärker als je
zuvor.
Auch
Siouxsies Solo-Debüt "Mantaray" gehört zu der
erfreulichen zweiten Kategorie. Sie unternimmt gar nicht erst den
Versuch, die vergangene Zeit des Synthie-Dark-Wave-Post-Punk-Rock-Pop
als Kopie wiederauferstehen zu lassen oder sich gar als Gothic-Diva
(die sie nie war) feiern zu lassen. In der Hauptsache verlässt
sie sich auf ein solides Songwriting, frönt der großen
Geste (mit "Here comes that day" und "If it doesn't
kill you enthält das Album gleich zwei veritable James Bond-Titelsongs),
ausladende Arrangements und fasziniert ansonsten mit ihrer nach wie
vor betörend starken, exaltierten Stimme.
"Mantaray"
arbeitet mit epischen Geigenbögen, orientalischen Percussions,
Marimba, Bläsern, wummernden Drumloops, Jazz-Piano, schräg
kreischender E-Gitarre und verdichtet die Zutaten zu so elektrisierenden
Popsongs wie "Sea of Tranquility" oder "Loveless",
die einerseits an die großen Aufnahmen der Band erinnern, andererseits
jedoch vollkommen aktuell, originell und eigenständig wirken.
"I feel a force I've never felt before" heißt eine
Zeile ihres Eröffnungssongs "Into a swan", und nach
Hören des ganzen Albums wird man keinesfalls widersprechen wollen.
Siouxsie
scheint von dem gleichen Geist beseelt zu sein wie zuletzt ihre französische
Kollegin Catherine Ringer, der charismatischen Sängerin des Duos
Les Rita Mitsouko, das sich im Frühjahr 2007 nach mehrjähriger
Studiopause ebenfalls mit einem hoch gelobten Album ("Variéty")
zurück meldete. Mit Ringer teilt Siouxsie nicht nur die Herkunft
aus der Wave-Ära, sondern offenbar auch die Gegenwart als gut
gelaunte, aber weiterhin unangepasste, immer ein paar Grad abseits
vom Mainstream liegende Ikone des Alternative Pop.
Eigentlich,
ließ Siouxsie wissen, sei "Mantaray" nur das Ergebnis
eines Zufalls. Sie hatte zwei Songs für eine andere Interpretin
geschrieben und als Demo an deren Label geschickt, doch das habe dann
überraschend ihr selbst einen Plattenvertrag angeboten. Eine
kluge Entscheidung, wie sich inzwischen herausstellte, und noch klüger
wäre, ihr schleunigst eine Vertragsverlängerung anzubieten.
©
Michael Frost, 14.10.2007