Dass
Roisin Murphy sowohl eine großartige Interpretin als auch eine
begnadete Entertainerin ist, hat sich inzwischen herumgesprochen. Kaum
ein Konzert ihrer Band Moloko, bei dem sich Mrs. Murphy nicht irgendwann
in einem waghalsigen Moment von der Bühne gestürzt hätte,
um von ihrem Publikum auf Händen getragen zu werden. Ihre Band
Moloko steht für großartigen, intelligenten Pop und die große
Show. Paragraph 1 des Murphyschen Gesetzes: Bring das Publikum zum Siedepunkt.
Während
sich die Band vom Erfolg ihres Albums "Statues" und der
darauf folgenden umjubelten Tour erholt, drängt es Roisin Murphy
jedoch schon wieder zu neuen Taten. Sie, die der Legende nach vor
Moloko noch nie "außerhalb einer Dusche" (Pressetext)
als Sängerin zu hören war, tat sich nun mit einer nicht
minder schillernden Gestalt zusammen: Matthew Herbert, Soundtüftler
und Experimentalmusiker, der seine Geräusche schon mal aus dem
Zerstampfen von Hamburgern oder dem Einschlagen auf ausgediente Fernsehapparate
bezieht.
Für
die Aufnahmen zu "Ruby Blue" bat er Roisin Murphy, einen
persönlichen Gegenstand mit ins Studio zu bringen. Sie packte
ihren Notizkalender ein. Herbert ließ sie damit gegen das Mikrophon
schlagen: der erste Rhythmus des Albums war fertig. Ähnlich improvisiert,
spontan und zufällig klingt nun das gesamte Album: verspielt,
versponnen, verliebt ins Detail - ausgehend von einer energetischen
Mischung aus Pop, Soul, Funk, Elektro und Moloko.
Die
wohl erstaunlichste Leistung ist die gelungene Balance zwischen Experiment
und Pop. Denn zweifellos ist "Ruby blue" ein Popalbum, und
zwar eines der besten der letzten Zeit, und das schon deshalb, weil
Murphy und Herbert ihre Lust am Experiment ausleben, ohne dabei jedoch
Harmonie und Rhythmus aus den Augen bzw. Ohren zu verlieren.
So
ergeben die raffiniert gestrickten Arrangements, die Bläsersequenzen,
die Chorpassagen, die unterkühlten Beats und der zwischen Soul,
Blues und Pop variierende Gesang von Roisin Murphy einen überraschend
natürlichen und körperlichen Sound, der die herausragenden
Qualitäten der Interpretin erneut unter Beweis stellt. Ihren
Ruf als Entertainerin wird sie dann spätestens auf der für
Herbst angekündigten Tour erneuern, und angesichts des Temperaments
von "Ruby blue" ist nicht zu befürchten, dass Roisin
Murphy gegen ihre eigenen Live-Gesetze verstoßen wird.
©
Michael Frost, 05.06.2005