Sie
sei auf Ibiza gewesen und dort wohl Zeugin des Todes der Dance Music
geworden, sagt Roisin Murphy, Sängerin der irisch-britischen
Erfolgsband Moloko im Interview.
Originalton: Roisin Murphy
Sie
hätte nicht extra nach Ibiza fahren müssen - ein Überblick
der Werbeblöcke privater Fernsehsender mit jugendlichem Zielpublikum
reicht um festzustellen, dass tumbe Tanzmusik und seelenloses Gestampfe
die zahllosen Dance- und Trancecompilations beherrschen - als hätten
ihre Macher zu lange in der Sonne gelegen.
Originalton: Roisin Murphy
Dass
es auch anders geht, zeigen Moloko seit einigen Jahren, und entsprechend
gespannt war die Erwartung auf das neue Album: "Statues",
angekündigt bereits mit der fulminanten Vorab-Single "Familiar
Feeling" und ihren bebenden Beats, dem wildem Rhythmus und einem
Refrain, der das Ohr schon nach dem ersten Hören nicht mehr verlassen
will.
"Familiar
feeling" eröffnet auch das Album, allerdings in einer sechseinhalb-minütigen
Version. Dramaturgisch perfekt wird der Song Stück für Stück
aufgebaut, erst nach der Hälfte der Zeit entlädt sich der
mitreißende Rhythmus - das Album ist eröffnet, und mit
ihm die Tanzfläche, und man kann sich nach Herzenslust austoben.
Roisin
Murphys charismatischer Gesang steht im Mittelpunkt des knapp einstündigen
Power-Pop, den sie gemeinsam mit ihrem kongenialen Partner Mark Brydon
(Arrangeur, Produzent) und den Musikern Paul Slowley (Schlagzeug)
und Eddie Stevens (Keyboards) eingespielt hat. Mit ihrer gut aufgelegten
Stimme schließt Murphy in der britischen Popmusik die Lücke
neben dem depressiven Bristol-Sound einer Beth Gibbons und der druckvollen
Aggressivität der Ex-Catatonia-Sängerin Cerys Matthews.
In
Ausdruck und Stimmgewalt durchaus vergleichbar, strahlt Roisin Murphy
allerdings Lebensfreude und Begeisterung aus, die sie in der Musik
überzeugend umzusetzen weiß, auch wenn sie selbst ihre
Musik eher als melancholisch empfindet.
Originalton: Roisin Murphy
Sie
zieht oder drosselt das Tempo, erhöht Spannungen und entlädt
sie, schafft einen Variationsreichtum zwischen ruhigeren und schnellen
Stücken, der sich erst nach mehrmaligem und intensivem Hören
des Albums erschließt. "Statues" verfügt deshalb
über eine Tiefenschärfe, die in der aktuellen Popszene relativ
einzigartig ist.
Nicht
von ungefähr also feiert die Plattenfirma das vierte Studioalbum
von Moloko bereits als "Popgeschichte", doch Geschichte
ist "Statues" noch lange nicht, sondern zunächst einmal
Gegenwart und mit einiger Sicherheit auch Zukunft des Pop. Und das
ist die wirklich gute Nachricht, die Moloko für uns bereit hält.
©
Michael Frost, 01. März 2003