Dawn's
Music. Ein Vogelstrauß, der neugierig den Kopf aus seinem Gehege
reckt, ein Kinderkarrussel, eine weitere Jahrmarktbude, ein Himmel,
an dem die Sterne die Wolken verdecken anstatt umgekehrt. Vielleicht
aber ist auch alles ganz anders. Denn jeder kann trotz der gleichen
Blickrichtung ganz andere Dinge sehen: "two men looked out through
bars // one saw mud // the other stars" ("Mud & stars").
"I think", ergänzt die Sängerin in dürrer Poesie,
"there are stars in mud".
Dawn's
Music macht nicht viel Aufhebens. Als die Sängerin im Vorprogramm
von Suzanne Vega durch Irland tourte, brachte sie eine 8 Dollar-Gitarre
mit und ein rosa farbenes Akkordeon. Das beeindruckte die Verantwortlichen
des französischen Labels "Ocean Music" dermaßen,
dass sie Dawn Landes zum Auftritt beim berühmten "Les femmes
s'en mêlent"-Festival einluden.
Zurück
zu Suzanne Vega: Von ihr waren lange nicht so intime und betörende
Balladen zu hören, wie sie auf "Dawn's Music" zu finden
sind. Leider. Dabei klingt es bei Dawn Landes so einfach. Schon die
CD-Hülle kommt in Recycling-Pappe daher, das Booklet als Waschzettel
frisch aus dem Fotokopierer, hastig zurechtgeschnitten. Dass ihrer
Karriere ausgerechnet mit dem Gewinn eines Wettbewerbs begann, den
eine Zeitschrift namens "Glamour" ausgeschrieben hatte,
will so gar nicht zum betont unglamourösen Sound von Dawns Musik
passen. Doch der Gewinn ermöglichte der in Louisville (Kentucky)
aufgewachsenen Dawn den Neubeginn in New York, wo sie ihre ersten
musikalischen Kontakte knüpfte, die sie schließlich weiter
nach Europa führten.
Ohne
Studioeinspielung kommt auch jemand mit dieser Begeisterung für
alles Einfache nicht aus. Dennoch: die Hauptarbeit fand in "Felix'
parents garage" statt, Dawn Landes selbst nennt sich "narrator",
Erzählerin, und begleiten lässt sie sich von "sonicians"
und "dr. rhythm", die jedoch überwiegend im Hintergrund
bleiben, denn auch bezogen auf ihre Arrangements liebt Dawn Landes
vor allem eines: die Stille. So wie zuviel Licht die Sicht auf den
Sternenhimmel verstellt, so würde ein allzu aufgeblasenes Instrumentarium
Gesang und Erzählungen in den Hintergrund drängen. Also
begnügt Dawn sich mit zurückgenommenen Drums, Gitarre, Xylophon,
Akkordeon.
Erst
vor dem minimalistischen Hintergrund kann sich ihre Stimme in einer
Spannbreite von Keren Ann und Beth Orton über Natalie Merchant
bis zu Dolores O'Riordan (Cranberries) entfalten. Und obwohl das gesamte
Universum der 25-Jährigen so frisch, unverbraucht und natürlich
klingt, träumt Dawn Landes, die Folk-Sängerin, bereits vom
Älterwerden: "Ich hoffe, dass ich bald genauso wunderschönes
graues Haar haben werde wie Emmylou Harris. Ich werde die jüngste
Sängerin mit grauen Haaren sein."
©
Michael Frost, 14.09.2005