Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

 

}

Die zweite Lektion


Ist "leise" eine Lautstärke? Kann man in einer verregneten Stadt sonnige Musik machen? Kann man mit einer vereinzelten Gitarre und zartem Jungmännergesang Klangteppiche weben? Kann es in leeren Straßen Aufstände geben - und geht es, dass ein DJ und ein Therapeut überhaupt zusammen musizieren? Unmöglich, hätte man wohl noch vor wenigen Jahren geantwortet, in der trostlosen Zeit vor dem Auftauchen einer der bezauberndsten Bands der letzten Jahre.

Inzwischen weiß man es besser: Quiet is the new loud, nirgendwo wurden schüchterne Sonnenstrahlen so greifbar in Musik umgesetzt wie in Bergen, Norwegen, nie seit Simon & Garfunkel konnten zwei Stimmen und eine Gitarre das Herz derart erwärmen, nie passten ein experimentierfreudiger Musikspezialist und ein Heimat verbundener Analytiker besser zusammen.

Und dass man auch in leeren Straßen den Aufstand proben kann, diese Lektion lernen wir jetzt mit dem zweiten Album von Erlend Øye und Eirik Glambeck Bøe, berühmt als "Kings of Convenience".

Drei Jahre nach dem gefeierten Debüt von 2001, einem anschließenden Electro-Projekt von Erlend Øye und einer Auszeit von Eirik Glambeck Bøe veröffentlicht das Duo jetzt "Riot on an empty street". Und glücklicherweise begehen die beiden nicht den Fehler, sich irgendeiner Richtung anzupassen, einem gesteigerten Erwartungsdruck zu erliegen oder sonstige Ansprüche befriedigen zu wollen: Völlig zu Recht verkündet die Plattenfirma, das neue Album beginne exakt dort, wo das erste aufhörte: Alles ist, wie es sein soll.

Selbstverständich, hier und da sind tatsächlich zusätzliche Instrumente zu hören, mehr als auf dem Erstlingswerk, doch lauter wird es dadurch keineswegs, eher gefühlvoller (Geigen), rhythmischer, temporeicher (Drums), spielerischer (Banjo, Trompete), erwachsener (Gesang) und facettenreicher (die kanadische Sängerin Feist assistiert den Kings als Gast-Sängerin). Ansonsten, und das ist in diesem Fall wirklich eine sehr gute Nachricht, bleibt alles wie gehabt: Sanfte, introvertierte Folkballaden, zurückhaltender Gesang und vorsichtige Arrangements - genau so, wie man dieses Traumdoppel lieben lernte.

Der Erfolg dieses "Sound of Silence" kann dabei nicht wirklich verwundern. Der durchgestylte, schnelllebige Musikmarkt produziert (freilich ohne dies explizit zu beabsichtigen) auch den Wunsch nach einfachen, ungekünstelten und glaubwürdigen Künstlern, die ohne großes Brimborium daher kommen, sondern sich einfach auf ihre Musik konzentrieren. Die Kings of Convenience mit ihren charmanten Harmonien kommen diesem Bedürfnis entgegen und formulieren die ersehnte Alternative zum ewig-coolen Clubsound.

Deshalb muss es schon fast wie eine Drohung wirken, wenn Eirik davon spricht, er wolle sich "nach Beendigung seiner Musikerkarriere" (Pressetext) intensiver mit anderen Dingen, z.B. der Städteplanung beschäftigen. Seine Entscheidung, die Musik nur als Spielbein neben einem beruflichen Standbein zu betrachten, dürfte zwar einen hohen Anteil am entspannten, authentischen Klang der Kings of Convenience haben. Andererseits aber wäre es ein schmerzlicher Verlust, sollte er seine Ankündigung tatsächlich wahr machen. Aber vielleicht gibt es dann wirkliche "riots" - wenn auch sicher nicht auf leeren Straßen.

© Michael Frost / 19.06.2004

Tipps zu ähnlichen CDs und Bands:

Belle & Sebastian, Tahiti 80, Turin Brakes