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Vom Triphop
zum Elektropop


Alison Goldfrapp ist eine der aufregendsten Frauen der aktuellen Musikszene. Auf der Bühne gibt sie die kühle Blonde, lasziv, erotisch, aber unnahbar. Hitchcock hätte an dieser Performance seine Freude gehabt. Doch das Wort "Bühnenshow" kommt dem Beobachter nur schwer über die Lippen. Goldfrapp, das Duo (neben Alison gehört dazu noch Will Gregory), ist keine Band für große Gesten, opulente Lightshows oder ambitionierte Multimedia-Effekte. Dem Publikum muss es reichen, wenn Alison Goldfrapp ihm zwischen den Songs ein schlichtes "Cheers" entgegen haucht.

Ansonsten verlassen sich Goldfrapp allein auf den stilisierten Sternenhimmel als Bühnenhintergrund, die kristalline Klarheit ihrer Hits wie "Utopia" und "Human", ihr zweites Album "Black cherry" mit seinem hartem elektronischen Groove, den sie - ganz Triphop-like - mit dramatischen Geigenläufen durchbrechen.

Alles ist auf diese eine Frau zugeschnitten, die im schwarzen Stewardesskostüm, hohen Lackstiefeln und Hütchen zur Reise durch die Welt des Clubsounds von morgen bittet - wobei sie auch vor Hits von gestern nicht zurückscheut: Goldfrapps grandiose Coverversion von Baccaras 70er-Jahre-Disco-Hit "Yes Sir, I can boogie" ist bereits legendär, obwohl sie noch nie auf einer offiziellen Veröffentlichung enthalten war.

Bis jetzt, denn auf der Live-DVD "Wonderful electric" wird der Song ebenso für die Nachwelt festgehalten wie ein weiterer Coversong: "Physical", im Original berüchtigt durch Olivia Newton-John, wiederum eine bizarre Perle des Trashpop. Alison Goldfrapp gelingt die Veredelung des Songs mit Melodica und hingehauchter Stimme, begleitet von Will Gregory mit treibendem Geigen-Staccato. Was für ein Glück: Das Original ist praktisch nicht wiederzuerkennen.

"Wonderful electric" besteht gleich aus zwei DVDs. Jede enthält ein Konzert, das in London aufgenommen wurde. Disc 1 bietet den Mitschnitt eines Open Air-Konzerts, das Goldfrapp im Juli 2003 im Innenhof des Somerset House in London gaben. Der Auftritt, den die zweite Disc zeigt, ist gute anderthalb Jahre älter, nämlich vom Dezember 2001, als die Band an drei aufeinander folgenden Abenden im Shepard's Bush Empire auftrat, einer der legendärsten Konzertstätten Londons. Begleitet von einem halben Dutzend Streichern, Gitarre, Drums und Percussions stellten Alison Goldfrapp und Will Gregory die Songs ihres ersten Albums "Felt mountain" vor. Bei dem Auftritt im Somerset House dagegen bilden die vier (!) Keyboarder die Mehrheit: Wonderful electric.

Die Entscheidung für eine Doppel-DVD überrascht zunächst, zumal man beim Blick auf die Tracklists zwangsläufig auf Überschneidungen stößt. Doch sind die Unterschiede zwischen den beiden Auftritten sehr deutlich. Sie repräsentieren den Stilwandel, den das Duo zwischen "Felt mountain" und "Black cherry" vollzog: Von der Triphop-Band à la Portishead zur energischen Elektropopband, die, an den Sound der 80er anknüpfend, heute zu den wichtigsten Ideengebern des Dancepop zählt.

"Wonderful electric" ist deshalb mehr als nur die abgefilmte Wiedergabe zweier Konzerte, sondern vielmehr das Dokument einer überraschenden, von vielen Fans als radikal empfundenen Entwicklung. Sie verdeutlicht die Fähigkeit dieses Duos, Strömungen aufzugreifen und neue zu initiieren. Umso ungeduldiger erwartet man das neue Studiowerk.

Michael Frost / 30. September 2004

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