Nein,
Spaß macht es nicht, das zweite Album von Portishead, das einfach
nur den Titel der Band trägt. Programm ? Oder eine insgesamt
schwer im Magen liegende Hymne an Portishead, den Ort in der Umgebung
von Bristol, aus dem die Band-Mitglieder stammen ?
Das
Album beginnt unheilsschwanger, drohend und finster. Akustische Instrumente
sind kaum auszumachen, man hört eine schrille Gitarre, das Geräusch
könnte aber auch anderer Herkunft sein, und Beth Gibbons, Puls
und Stimme der Band, singt bitter, bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.
"Cowboys", so der Titel der schrägen Eröffnung,
fräst und kratzt sich in die Ohrmuschel, hart am Rande des Wahnsinns.
Bläser,
sonst gern eingesetzt, um Lebensfreude auszudrücken und Tanz-
und Partystimmung zu verbreiten, eröffnen "All mine",
das zweite Stück. Bei Portishead wirken sie wie eingesperrt,
dumpf, jeder Akustik, jeder positiven Energie beraubt, angekettet
- live aus der Gummizelle.
Im
Gegensatz zu "Dummy", ihrer ersten CD von 1994, schufen
Portishead drei Jahre später ein Album, dem selbst die geringsten
Ansprüche der Hörerschaft auf Harmonie zu viel gewesen sein
muss. Fast alle Lieder sind mit einem hämmernden, hypnotischen
Grundrhythmus versehen, erzeugt mal von einer Gitarre, mal von einem
Schlagzeug oder dem Computer, aber immer gräbt er sich tief ins
Bewusstsein. Wenn es mal ruhiger ist, hört man das Knistern,
das den Älteren noch vom Plattenspieler bekannt ist. Vielleicht
unerklärlich, aber dieses Knistern steigert noch die beängstigende
Stimmung des Albums, als ginge der letzte Rest Distanz zwischen Musik
und Hörern verloren. Beklemmend.
"Portishead"
geht auf die Nerven, es rauscht, es "scratcht", es jammert
und zetert durch das ganze Album, es gibt die erwähnten Bläser,
dazu Beats aus dem Untergrund, schräge Streicher, verrückte
Computer-Programmierer, und mittendrin Beth Gibbons, die mit harter,
düsterer und fremder Stimme ihr Seeleninnerstes nach außen
kehrt.
Wir
erleben Musik als Grenzerfahrung zwischen Selbsterfahrung und Selbstzerstörung,
jedes Lied wirft vor allem eine Frage auf: Wie viel kann ich ertragen
?
Also:
Portishead ist Musik für Mutige, die keine Angst vor sich selbst
haben. Wenn Ihr Seelenzustand einigermaßen gefestigt ist, dann
werden Sie Portishead überstehen, vielleicht mögen oder
gar verehren. Wenn nicht, dann seien Sie auf der Hut vor sich selbst.
MF
/ 28. Oktober 2000