Unverkennbar.
Jay-Jay Johanson ist "back in town". Sein neues Album "Antenna"
ist ein schillerndes Werk, das mit dem Stil der 80er Jahre spielt,
um nicht zu sagen: jongliert - bis zur Schwindelgefahr.
Kam
der schwedische Chanson-Pop-Jazz-Barde mit dem schneidenden Falsett
in der Stimme auf seinem Vorgänger-Album "Poison" noch
in tiefschwarzen Klangfarben daher, so heißt das Motto von "Antenna"
offenbar "Heller, schriller, bunter". Mit Unterstützung
der Electronica-Pioniere "Funkstörung", die "Antenna"
mit ihm produzierten, ist ihm auch mit seinem vierten Album eine veritable
Überraschung gelungen.
Der
neonfarbene Faden, der sich durch die Produktion zieht, ist die Überzeichnung.
Schon das Cover, das einen beängstigend schmächtigen Johanson
mit grotesk geschminktem Gesicht und bizarrer Haarfrisur zeigt, erinnert
eher an Brechts Verfremdungstheorie als an einen Popstar von heute.
Und
auch die Musik ist episches Theater: Im Video zur Single-Auskopplung
"On the radio" sieht man Johanson in absurder Discofox-Choreographie,
das Lied selber ist ein überdrehter 80er-Jahre-Synthiepop-Song,
der klingt, als hätte jemand die Uhr zurückgedreht, etwa
bis zu dem Zeitpunkt, als Bands wie "Visage", "Boytronic"
und "Men without hats" die Charts anführten.
Ähnliche
Empfindungen beschleichen den Hörer auch bei weiteren Titeln,
etwa "Automatic lover", so dass man sich schließlich
fragt, wo Johanson eigentlich die Erfahrung seiner vorangegangenen
Studioalben "Whiskey", "Tatoo" und "Poison"
gelassen hat - "Antenna" könnte ebenso gut ein Debüt
sein; so wenig knüpft das Album an seine Vorgänger an.
Um
kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Johanson 2002 ist besser
als es die meisten 80er-Jahre-Combos jemals hätten werden können.
Deren gesammelten Sounds und Erfahrungen bündelt er in seinen
Sounds und treibt sie gekonnt auf die Spitze.
Und
- um der vollständigen Wahrheit die Ehre zu geben - auch "Antenna"
verfügt über die abgründigen Momente, für die
Johanson von den einen geliebt, von anderen gefürchtet wird,
"Wonderful combat" etwa, oder "Tomorrow", zwei
Beispiele für den typisch flirrenden und melancholischen Balladensound
von Jay-Jay Johanson, bei dem seine Mark und Bein durchdringende Stimme
im Zusammenspiel mit Scratches, programmierten Beats und wimmernden
Violinen besonders deutlich zur Geltung kommt.
Gemeinsam
ergeben die unterschiedlichen Titel ein überzeugendes Bild vom
aktuellen Stand der Popkultur. "Antenna" ist keinesfalls
ein reines "Retro"-Werk, auch wenn es auf den ersten Blick
so scheinen mag. Hinter der übertriebenen Fassade verbirgt sich
ein vielschichtiger Künstler, der mit Stimmungen und Strömungen
zu spielen weiß, sich niemals beirren lässt und stets seine
eigenen Visionen verfolgt.
Man möge sich also durch Äußerlichkeiten nicht in
die Irre führen lassen. Auf Johanson passen viele Attribute,
nur eines mit Sicherheit nicht: Oberflächlichkeit.
©
Michael Frost, 26. Oktober 2002