Bollywood
ist in aller Munde. Das Kronos Quartet nahm die berühmte Asha
Bhosle mit ins Studio, um die Filmmusiken ihres nicht minder legendären
Ehemannes Rahul Dev Burman neu einzuspieln. Aus Frankreich schwappte
unlängst der schrillbunte "Pascal of Bollywood" über
die Grenze, der nicht ein Wort Hindi spricht, aber sämtliche
Filmsongs Mady in Bombay auswendig kann, wovon er in seinen grellen
Performances ausführlich Gebrauch macht.
Dagegen
ist Susheela Raman fast unscheinbar, und doch ist sie diejenige, die
mit ihrer Fusion aus indischer Tradition, afrikanischer Rhythmik,
europäischem Pop, amerikanischem Jazz, Funk und Soul zu einem
der strahlendsten Sterne am Firmament der Welt wurde. Und weil von
Bollywood die Rede war: Susheela Raman ist nicht etwa auf diese Welle
aufgesprungen, wenn überhaupt, dann ist sie die Auslöserin.
Vielleicht
ist sie das östliche Pendant zu Sade. Die sanften Melodien, das
warme Timbre der ausdrucksvollen Stimme, die sich niemals ganz preis
zu geben scheint, sondern sich letzte Geheimnisse bewahrt, das verbindet
Sade, die in Nigeria geboren wurde, aber seit ihrem vierten Lebensjahr
in England lebt, mit Susheela Raman, die als Tochter tamilischer Eltern
in London geboren wurde.
Heute
ist Susheela Ramen nicht nur Welt-Musikerin, sondern auch Welt-Reisende.
Erstmals entstanden Teile ihres Albums nicht in Europa, sondern dort,
woher auch der bestimmende Einfluss ihres Sound kommt: Indien. "Music
for crocodiles" ist inzwischen ihr drittes Album, und wiederum
eines, auf dem sie die Schönheit des Klangs und des Rhythmus'
zelebriert.
In
einem Studio in Madras spielten Susheela Raman und ihr Team (darunter
ihr angestammter Produzent und Ehemann Sam Mills) mehrere Songs ein,
und es ist bezeichnend, dass man ohne Hintergrundinformationen nicht
erkennen könnte, welche Titel extra für "Music for
crocodiles" geschrieben wurden und welche bereits zweihundert
Jahre alt sind.
Doch
"Sharavanna" ist ein traditionelles religiöses Lied
der Tamilen, und "Idi samayam" stammt tatsächlich aus
dem 18. Jahrhundert. Susheela Raman überträgt die alten
Lieder problemlos in die Gegenwart. Wie bei der Curryherstellung aus
ganz unterschiedlichen Gewürzen mischt sie mischt Computersamples
mit Tablas und anderen traditionsreichen Instrumenten, legt ein paar
Bässe darüber, ein Streichorchester, ein paar Jazz- oder
Blueselemente, lädt Instrumentalvirtuosen aus Indien, Europa
und Afrika ein, ihren individuellen Stil zur Geltung zu bringen, und
fertig ist sie, die ungemein wohlschmeckend-würzige Mischung
in musikalische Formen gegossen, keineswegs nur für Krokodile.
©
Michael Frost, 23.09.2005