Es 
            ist einer dieser seltenen Momente, in denen man eine CD eingelegt 
            hat, ohne zu wissen, was genau wohl zu hören sein wird - und 
            schließlich nicht mehr davon loskommt. Das Album trägt 
            den Namen seiner Interpretin: "Jorane" (auszusprechen als 
            "Dschorann", schreibt die Agentur), was irgendwie französisch 
            klingt, aber ebensogut ganz anderer Herkunft sein könnte. 
          Die 
            Stimme ist das erste, was zu hören ist. Sie zieht sofort in den 
            Bann und lässt bis zum Ende des Albums - und darüber hinaus 
            - nicht mehr los. Hell, klar, dennoch nicht glatt und alles andere 
            als ausdruckslos, statt dessen lebendig, sinnlich, virtuos, mit spürbarem 
            Volumen. Es mag seltsam sein, doch ein Gedanke entsteht sofort: Diese 
            Stimme hat noch viel vor und ist zu allem fähig. In ihr verbinden 
            sich die besten Momente von Tori Amos, Sinéad O'Connor und 
            Mari Boine, der Stimme der Sami.
          Um 
            das Rätsel zu lösen: Jorane, gerade 26 Jahre jung, stammt 
            aus dem frankophonen Teil Kanadas. Französisch ist auch die Sprache 
            ihrer Musik. Abgesehen von ihrem Cello, mit dem sie eine eigene Sprache 
            kreiert. Das Instrument ist ein Glücksfall. Es unterstreicht 
            und umspielt ihren Gesang - und umgekehrt. Die Wirkung ist ungewöhnlich 
            intensiv, berührend, mitreißend - kurzum: phantastisch. 
            
          Dafür 
            sorgen die ausgefeilten und keineswegs leichten oder gefälligen 
            Arrangements des Cellos und der anderen Instrumente, die allesamt 
            sehr sparsam eingesetzt werden. Oft unterstützen nur eine akustische 
            Gitarre und leise Percussions den aufwühlenden Sound zwischen 
            Kammermusik, Rock und Wave. 
          Wenn 
            es einmal lauter wird, dann legt Jorane ihre Gesangspartien übereinander 
            und erzeugt so den Eindruck der Mehrstimmigkeit, oder sie sorgt mit 
            obsessiven Cello-Sequenzen und Schlagzeug für psychedelische 
            Traumwelten ("Monsieur Piment") und hypnotisch-dichte Atmosphäre. 
            
          In 
            Kanada hat sie in den letzten Jahren bereits zwei Alben und den Soundtrack 
            zum Film "I am Dina" (mit Gérard Depardieu) veröffentlicht. 
            Eine Auswahl der Stücke dieser Alben, außerdem einige Live-Aufnahmen, 
            enthält jetzt auch ihr Deutschland-Debüt, mit dem ihr fraglos 
            der Durchbruch auch diesseits des Atlantiks gelingen wird. 
           
          © 
            Michael Frost, 01. Februar 2003