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Zwillinge, jeweils
mit eigener Stimme


Dass brasilianische Rhythmen diesen Sommer bestimmen könnten, wird allgemein erwartet. Den Anlass dafür bietet die brasilianische Fußballnationalmannschaft, für die alles andere als die Titelverteidigung wohl eine riesige Enttäuschung wäre. Doch die brasilianische Musik hat die 'Schützenhilfe' ihrer Sportkollegen eigentlich gar nicht nötig: Auch ohne Fußball könnten beispielsweise die beiden neuen Alben von Marisa Monte zum Soundtrack des Sommers werden.

Bislang war der Output von Marisa Monte eher verhalten. Gerade einmal fünf Alben veröffentlichte sie seit 1989, alle hoch gelobt und erfolgreich: Qualität ging ihr erkennbar über Quantität.

Doch beides fließt nun zusammen: "Infinito particular" und "Universo ao meu redor" wurden zeitgleich veröffentlicht - bzw. 'geboren, wie Marisa Monte vielleicht selbst sagen würde, denn sie bezeichnet beide CDs als 'Zwillinge' - allerdings als zweieige.

Tatsächlich ist "Infinito particular" erkennbar anders als das Samba-Album "Universo ao meu redor". Auf "Infinito particular" vereint Marisa Monte nämlich eine Reihe eigener Kompositionen, die sie in den vergangenen Jahres auf Tapes festhielt und erst nach und nach für die Veröffentlichung bearbeitete. Dabei holte sie sich Unterstützung quer durch die brasilianische Musikszene, bei Carlinhos Brown und Arnaldo Antunes, aber auch Nachwuchsstars wie Seu Jorge und Adriana Calcanhotto. In der Liste der Instrumentalisten und Arrangeure tauchen immer wieder die Namen von Legenden auf: Jacques Morelembaum, Eumir Deodato und Philip Glass.

Sie geben den wundervoll leisen Balladen ihren sanften Rhythmus, die geschwungenen Linien und einen Hintergrund aus Klassik, Elektronik und der música popular brasileira.

Ganz anders dagegen "Universo ao meu redor" - hier darf getanzt werden. Die Samba, nach dem Fußball wohl die zweite große Leidenschaft der Brasilianer, kommt hier zu Ehren. Marisa Monte nahm hierfür einige der großen Samba-Klassiker neu auf. Die Originale sind zum Teil bereits fünfzig Jahre alt, doch in der Fassung von Marisa Monte erstrahlen sie wie neu, in aktuellem Sound, pulsierend und energetisch. Die wenigen neuen Kompositionen (wiederum von Carlinhos Brown und Arnaldo Antunes) fügen sich harmonisch in das Konzept ein, nur einmal horcht man überrascht auf, ist doch in "Statue of Liberty" die Stimme von David Byrne zu hören. Er, der schon seit seinem ersten Solo-Album "Rei Momo" in der Musik Brasiliens seine zweite Heimat entdeckte, gehört wohl zu Marisa Montes größten Fans. Darin ist Byrne sich mit einem anderen Förderer Marisa Montes einig: Arto Lindsay. Der US-amerikanische Bossanova-Spezialist hält sich diesmal jedoch musikalisch zurück. Statt dessen übersetzte er die Texte für das Booklet ins Englische.

Der Sommer kann also kommen. Mit "Infinito particular" und "Universo ao meu redor" ist man bestens gerüstet, sowohl für die ausgelassene Party als auch für die ruhigeren Momente. "Jedes Album", sagt Marisa Monte", "spricht mit seiner eigenen Stimme. Sie sind wie zwei unterschiedliche Fotografien, auf denen sich viele verschiedene Menschen mit mir in der Mitte befinden."

© Michael Frost, 10.06.2006

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