Sie
klingt typisch brasilianisch, die Geschichte von Tania Maria: Sie
wuchs als Tochter eines Stahlarbeiters in einfachen Verhältnissen
auf. Musik war in der Familie das Ventil, sich aus den ärmlichen
Verhältnissen wegzuträumen; Tanias Vater sang, spielte Gitarre
und achtete darauf, dass auch seine Tochter Kontakt zur Musik bekam.
Inzwischen
gehört Tania Maria zu den charismatischsten Stimmen ihres Landes:
Ihr Gesang vereint die Seelen von Jazz, Samba und Bossanova. Die erste
Veröffentlichung datiert von 1969, seither folgten 25 weitere
Alben und unzählige Kooperationen, unter anderem mit Michel Petrucciani,
und Auftritte bei den wichtigsten Jazz-Festivals weltweit.
Doch
egal, ob sie in Montreux oder Tokyo auftrat, ihre brasilianische Seele
trug sie stets in ihrer Musik dabei. So auch jetzt auf "Intimidade",
ihrer neuesten Veröffentlichung, die dem sinnlichen Empfinden
zwischen Musikern und ihren Instrumenten, aber auch der Sängerin
und ihrer facettenreichen Stimme gewidmet ist.
Eine
glänzend aufgelegte, stimmgewaltige Tania Maria und ihre nicht
minder beeindruckende Begleitband interpretieren auf "Intimidade"
einige der bekanntesten Stücke des "Brasilian Songbook",
darunter "Agua de beber" (Jobim/Moraes) und "Evocação"
(Ferreira). Selbst "Besame mucho", bei uns eigentlich nur
in der vor Kitsch triefenden Version von Julio Iglesias bekannt, wird
in der Fassung von Tania Maria zu einer intimen, melancholischen Ballade.
"In meiner Jugend tanzte ich häufig zu der Big Band-Version
von Ray Conniff, dem Bandleader, der sich auf Swing-Versionen alter
und neuer Standards spezialisiert hatte."
In
"Canto" erzählt sie ein Stück ihrer eigenen Geschichte:
"Es geht um eine Person, die ihr Land verlässt, um ein neues
Leben zu beginnen. In gewisser Hinsicht ist das meine Geschichte,
seit ich Brasilien vor 30 Jahren verließ. Jetzt, mit diesem
Album, feiere ich meine Rückkehr." Allerdings nur, um das
Land gleich wieder zu verlassen: Konzerte auf den Jazz-Festivals von
Viersen, Maastricht, Bukarest und Dubai sind fest gebucht, und als
Höhepunkt kommt Tania Maria im Oktober ins "Cigale"
nach Paris.
©
Michael Frost, 10.10.2005