Der
Brasilianer Wagner Pa machte vor zwei Jahren Spanien als Zentrum einer
jungen, wilden Latin-Musikszene aus. Mit seiner eigenen Musik begründete
er eine Art katalanisch-brasilianischen Straßenkarneval, inspiriert
sowohl von der Samba und dem Bossanova seiner Eltern als auch vom Punkrock,
vom Chanson, Tango, Flamenco und algerischem Raï. Barcelona wurde
zur Hauptstadt der "Zona Bastarda", ein kreativer, nonkonformistischer
Freiraum, der heimische wie auswärtige Musiker gleichermaßen
anzog: Manu Chao (Mano Negra), Amparanoia, Ojos de Brujo, Wagner Pa
selbst und viele andere.
Es
scheint so, als hätte die Szene jetzt unvermutete Unterstützung
aus Wien bekommen. Dort lebt die ebenfalls aus Brasilien stammende
Célia Mara schon seit einigen Jahren und hat sich in der Weltmusikszene
bereits einen Namen gemacht. Ihr neues, drittes Album trägt das
Programm bereits im Namen - "Bastardista" - und im Gegensatz
zu ihrer vorigen CD "Hot couture do samba" geht es Célia
Mara nicht mehr nur um Samba, und müsste sie sich zwischen "hot"
und "couture" entscheiden, die Wahl der "Bastardista"
fiele wohl eindeutig aus: Hot!!!
Im
Ergebnis macht die Bandbreite an Rhythmen das neue Album zu einem
Energie geladenen, ekstatischen Feuerwerk aus Samba, Tango, afrikanischem
Tanz, Chanson, Jazz, Soul, Dancefloor, Elektropop und Latinrock. Brasilianische
Rhythmen spielen nur noch eine Rolle neben vielen anderen Einflüssen,
die hier kraftvoll und mit aufwändig arrangierten Instrumenten
miteinander verwoben werden.
Ein
verbindendes Element bilden elektronische Elemente, die dem "Bastardista"-Sound
ein zeitgemäßes Klanggerüst geben, Bässe noch
dumpfer klingen lassen und Melodieläufe noch spielerischer, das
Tempo anzuziehen scheinen und den warmen, kraft- und temperamentvollen
Gesang Célia Maras raffiniert unterstreichen.
Da
fällt es schwer einzelne Titel besonders hervorzuheben: "Jade"
etwa, das mit seinem digitalen Grundrhythmus und dem Akkordeon Motive
des Gotan Project aufzugreifen scheint, oder "Paixao", wo
die perfekten Harmonie zwischen elegischen Geigen und Gesang Mäßstäbe
setzt, "Sans toi", das an die frühen (und somit besseren)
Popchansons einer Patricia Kaas erinnert, oder "Cacador de almas",
der fantastische Opener (und einziger typisch brasilianischer Titel
des Albums), oder "Mercado modelo", Célia Maras mitreißende
Antwort auf Manu Chaos bislang einzigartiges "Radio Bemba Sound
System".
"Bastardista",
schrieb ein Kritiker des WDR, "feiert die Unterschiede zwischen
den Menschen und Musiken." Doch dabei bleibt es nicht. Célia
Mara lässt, wie ihre Kollegen aus Barcelona, die Verschiedenheiten
zu einer neuen Gemeinsamkeit verschmelzen. Und hierin liegt der besondere
Erfolg dieses herausragenden "Manifesto bastardista".
©
Michael Frost, 23.07.2005