Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Erotik zwischen
Elektronik und Akustik


Der Tango erfährt immer dort eine Renaissance, wo man es wohl am wenigsten vermuten würde. So gilt mittlerweile Finnland als europäisches Tango-Zentrum. Überall im Land existieren Tanzlokale, in denen die Bevölkerung ihre unerwartete Leidenschaft für argentinische Bandoneon-Rhythmen auslebt.

Jüngst tauchte der Tango auch in der elektronischen Musik auf. Das Pariser "Gotan Project", bestehend aus dem Gitarristen Eduardo Makaroff, Philippe Cohen Solal (Keyboards und Bass) und Christoph H. Müller (Beat Programming) wählte ausgerechnet den energiegeladenen Sound des Tango als Kulisse für entspannte und verträumte Elektrosymphonien, in denen sich Bandoneon (Nini Flores), Geige (Line Kruse), Klavier (Gustavo Beytelmann) und allerlei Percussions (Edi Tomassi) begegnen und im Zusammenspiel mit den sphärischen Computersounds das Buenos Aires der 1920er Jahre in die europäische Jetzt-Zeit katapultieren.

Das überraschende Ergebnis der ungewöhnlichen Kombination: Auch der Tango des Gotan Project hat Seele und Körper, ist tanzbar (übrigens nicht nur für Tango-Könner), eignet sich aber genauso gut zum Tagträumen, zum Verschwinden in den Harmonien, zum Nachfühlen des Rhythmus, dessen Spannung die Musiker mit sensiblen Gespür für die Wechselbeziehung ihrer Instrumente verstärkt wird. Ihr Zusammenspiel bildet die für den Tango unverzichtbare erotische Komponente: Die Instrumente stehen im Dialog miteinander und treiben sich gegenseitig an - bis sie schließlich zum Höhepunkt gelangen.

In eingestreuten Sprachsequenzen (Cristina Vilallonga) ist vom Kapitalismus die Rede, von der Politik - der Tango des Gotan Project ist keine romantisierende Kitsch-Musik der Vergangenheit. Sie erinnert damit an die sozialen und politischen Verwerfungen des Argentinien der Gegenwart, aber auch an seinen Beitrag zum kulturellen Erbe:

Ein Tango-Album ohne wenigstens einen Piazzolla-Titel wäre wohl undenkbar, auch für das Gotan Project, das seine Titel sonst überwiegend selbst komponiert. Den Abschluss von "Revancha del tango" bildet deshalb die Piazzolla/Solanas-Komposition "Vuelvo al sur" aus dem Soundtrack zu "Sur", dem preisgekrönten Film von Fernando E. Solanas. Die Adaption bildet den Höhepunkt eines gelungenen Experiments.

Michael Frost, 08. Februar 2003

Tipps zu ähnlichen CDs und Bands:

Yann Tiersen, Astor Piazzolla, Soledad

[Archiv] [Up]