Seit
der Veröffentlichung dieser Musik in England möchte so mancher
Kritiker für die Schönheit von Ilya sterben, und wie gerne
würde man - dem Februar zum Trotz - "They died for beauty"
schon jetzt zum Album des Jahres küren.
"Gypsy
Hop" nannte ein britischer Kollege die Musik von Ilya, die er
zwischen den "40er-Jahre-Chansons von Edith Piaf und den nicht
minder bizarren Exkursionen von Tricky und anderen Lichtgestalten
des Triphop" ansiedelt. Tatsächlich findet sich in Ilya
von allem etwas wieder: Herkunft aus Bristol, Hang zur Epik, Leidenschaft
für die französische Sprache - und ein begnadetes Gespür
für die große Geste.
Ilya,
das ist ein Trio, aber vor allem eine Frau, die Jo Swan heißt
und den größten Stimmen ihrer Zunft in nichts nachsteht:
Beth Gibbons, Alison Goldfrapp und Skye Edwards (Morcheeba). Mit tiefgründig
dunklem Gesang, süßlichem Geflüster ("I believe
in love ... bellissimo, mon amour") und lasziver Eleganz
gräbt sie sich, begleitet von Flamencogitarren und festlichen
Bläsern, rauschenden Geigen und aufwühlenden Drumbeats tief
in die Gefühlswelt der Zuhörenden. "Panorama-Sound"
nennen Jo Swan und ihre Mitstreiter Nick Pullin und Dan Brown ihre
postmodernen Orchestersounds, deren Ursprünge in James Bond-Filmen,
bei Ennio Morricone und Nino Rota liegen, nicht ohne Stolz, denn:
"Wir hätten das mit unserem eigenen Budget vor fünf
oder zehn Jahren noch nicht machen können".
Ungenutzt
ließen sie die Zeit seither aber nicht. Sie haben ihre Kollegen
erkennbar genau studiert; Portishead, Massive Attack und Goldfrapp,
aber auch diesseits des Ärmelkanals Brel, Greco und Air gehört.
Sie haben vermutlich viele Nächte in verrauchten Jazz-Kellern
verbracht, außerdem alte Streifen der Film Noir-Tradition gesehen
und jeweils aus den besten Zutaten schließlich ein Album zu
Tage gefördert, das seinesgleichen sucht.
Herausragend ist "They died for beauty" unter anderem auch,
weil es Ilya gelingt, britische und französische Einflüsse
aus Vergangenheit und Gegenwart ebenso intuitiv zu einem neuen Klangkonzept
zu formen, wie sie auch die beiden Sprachen unvermittelt in ihren
Texten miteinander verweben.
Für
all diese unglaublichen Sounds, vom einlullenden "Bellissimo"
über das druckvolle "Quattro neon" und die luftige
Single-Auskopplung "Soleil Soleil" bis zum Cinemascope-formatigen
Höhepunkt "They died for beauty" gibt es in der Tat
noch keine bekannte Überschrift. Deshalb kann der Neuschöpfung
des "Gypsy Hop" als Beschreibung einer Version des Triphop,
deren geografische Herkunft nicht mehr nachzuvollziehen ist, nicht
wirklich widersprochen werden.
All
ihr Können haben Ilya lang erprobt. Jo und Nick kennen sich bereits
aus Kindertagen, Dan kam später dazu. Der Gitarrist und Electro-Freak
soll mit seinem Ehrgeiz den nötigen Kick gegeben haben. Doch
bis es schließlich zur Veröffentlichung ihres Debüts
kam, verdiente das Trio seinen Lebensunterhaltung durch Auftritte
bei Veranstaltungen und Hochzeiten.
Damit
wird nun Schluss sein. Eigentlich schade, denn wenn man schon nicht
gleich vor Schönheit dieser Musik sterben möchte - heiraten
würde so mancher für einen Auftritt von Ilya wohl ohne zu
zögern.
©
Michael Frost, 21. Februar 2004