Man nannte
ihn den Galerien des galas, den Galeerensklaven der Chansongalas....
1966 beendet er - auf dem Höhepunkt seines Ruhms - seine unendlich
intensiven öffentlichen Auftritte... Wahre Marathonläufe
eines Interpreten, der die Wut, die Verzweiflung, das Leben seiner
Figuren mit aller Kraft und oft unter Aufbietung seiner letzten Kräfte
auf die Bühne bringt, eines Interpreten, der schreit, schwitzt,
zittert, gestikuliert... der vor den Auftritten vor Lampenfieber kotzt
und nachher feststellt, dass er fünf Kilo Lebendgewicht auf der
Bühne gelassen hat. Jacques Brel am 9.Oktober jährt
sich sein Todestag zum 25.Mal doch seine Chansons sind lebendig
wie eh und je.
Alors
sans avoir rien
Que la force d'aimer
Nous aurons dans nos mains
Ami le monde entier
Les
Bourgeois Les Bourgeois...
Jacques Brel wird am 8.April 1929 in die Verpackungsindustrie Brüssels
hineingeboren Papa war also Industrieller, und weder er, noch
Brels Ehefrau Miche mögen Chansons, schon garnicht die von Sohn
und Ehemann. Der junge Brel, der in der Schule versagte, zwischen
strenger Erziehung und Boyscouts sich eingeengt fühlte, der immer
schon seine Liebe zum Theater auslebte, er geht allein nach Paris,
wohin ihn der Talent-Entdecker Canetti eingeladen hat. Die Familie
kappt ihm den Lebensunterhalt und kann auch sonst mit der Leidenschaft
nichts anfangen, die Brel in seine Lieder steckt. Ein lebenslanger
Hass auf alles Enge, Reaktionäre und Bourgeoise bleibt ihm.
Les Bourgeois c'est comme des cochons
Plus ca devient vieux plus ca devient bête
Les Bourgeois c'est comme des cochons
Plus ca devient vieux plus ca devient...
Die
Zeit der Galeeren
1954 singt zum ersten Mal ein Star ein Chanson von Brel: Juliette
Gréco, doch damit ist die Zeit der Galère,
des durch die Chansonkeller Tingelns ohne Geld, noch lange nicht vorbei.
Es dauert noch 5 Jahre seine Frau und seine Kinder sind inzwischen
doch nach Paris nachgekommen bis er zum ersten Mal richtig
wahrgenommen wird. Und fünf Jahre können lang sein. Doch
die Riege der Freunde hilft ihm: Jojo, Freund, Chauffeur, Manager,
dann der geniale Arrangeur Francois Rauber, der heute noch lebt und
arbeitet, und natürlich Kollegen wie Georges Brassens, Ferré,
die Gréco und viele andere. Die Bürger hasst Brel
die Freunde liebt er.
Ils
parlent de la mort comme tu parles d'un fruit
Ils regardent la mer comme tu regardes un puits
Les femmes sont lascives au soleil redouté
Et s'il n'y a pas d'hiver cela n'est pas l'été
La pluie est traversière elle bat de grain en grain
Quelques vieux chevaux blancs qui fredonnent Gauguin
Et par manque de brise le temps s'immobilise
Aux Marquises
Adieu
auf den Inseln
1966 sagt Brel Adieu beim gerade neu auf DVD herausgekommenen
legendären Bühnenabend im ebenso legendären Olympia.
Und nach 150 Aufführungen des von ihm übertragenen Musicals
Der Mann von La Mancha gibt er dann, völlig ausgelaugt, die Bühne
ganz auf. 1968 also... da bleiben ihm noch 10 Jahre, die der passionierte
Flieger, Segler, Filmschauspieler und Regisseur vor allem mit seiner
letzten Liebe Madly und seiner Tochter France verbringt, die sich
heute bei der Brel-Stiftung in Brüssel um sein Erbe kümmert.
1977 erscheint seine letzte Platte über eine Million mal
vorbestellt ohne die geringste Werbung. Derweil hat sich Brel auf
die Inselgruppe der Marquises zurückgezogen.
Mourir
cela n'est rien
Mourir la belle affaire
Mais vieillir... ô vieillir!
Leidenschaftlich
und schüchtern
Kaum ein Chansonsänger hat seine Wut und seine Leidenschaften
mit soviel Glaubwürdigkeit und soviel Tiefe ans Publikum herangetragen
wie Jacques Brel. Ausufernd und doch sehr delikat, fast schüchtern
er selbst hat er sich die Bewunderung seiner Bewunderer hart
erarbeiten müssen... doch dafür hält sie auch 25 Jahre
nach seinem Tod an.
©
Gerd Heger, Oktober 2003
Gerd
Heger / Saarländischer Rundfunk
Gerd Heger ist Redakteur beim Saarländischen Rundfunk und
Experte für französischsprachige Musik. Er betreut unter
anderem die Radio-Sendung "Rendez-Vous Chanson" und die
Konzert-Reihe "Bistrot Musique".
Brel-Stiftung
in Brüssel
Informationen zu Brel und die Verwaltung des Nachlasses bietet die
Brel-Stiftung in Brüssel. Eine minutiöse Interpretation
des Brelschen Werkes liegt jetzt auf Deutsch vor in Michaela Weiss'
neuem Buch: Das authentische Dreiminuten-Kunstwerk (Universitätsverlag
Winter, Heidelberg).
CD-KRITIK: Brel Infiniment
Außerdem erschien bei Universal France anlässlich des
25. Todestages eine Doppel-CD mit insgesamt 40 remasterten Originalaufnahmen,
darunter auch fünf bislang unveröffentlichte Chansons.
Die Tonqualität der Aufnahmen, die überwiegend aus den
50er und 60er Jahren stammen, ist beeindruckend.