"Paranoid
und urban". So wollten Jean-Benoit Dunckel und Nicolas Godin
noch ihr vorangegangenes Album "10000 hz legend" beschreiben.
Fröhlicher, Luftblasen leichter Elektropop war darauf einer deutlich
spürbaren Intellektualisierung ihres Sounds gewichen: Die Leichtigkeit
wurde durch ein optisch und akustisch gestyltes Klangkonzept ersetzt.
Umso
überraschender kommt jetzt die erneute Wendung: Auf "Talkie
Walkie" ist nicht nur der Titel eine Umkehrung des Gewohnten,
sondern auch der Sound. Die Elektronik ist nicht länger die beherrschende
Form der Air-Arrangements. Dort, wo sie zum Einsatz kommt, erfüllt
sie eine Funktion.
Titeln
wie "Universal Traveller", die erstmals nicht überwiegend
von Gastsängern, sondern von Jean Benoit Dunckel gesungen werden,
reicht zur Instrumentierung schon eine akustische Gitarre, eine sphärische
Untermalung - und fertig ist der Air-Sound 2004: Analoges und Digitales
in harmonischer Vereinigung, die ihren Höhepunkt in der Mitte
des Albums in dem Instrumentaltitel "Mike Mills" findet.
Der
einer Kirchenorgel nachempfundene Melodielauf wird leise von Computerbeats
getragen, bis ein Klavier einsetzt, das jedoch alsbald von einer Gitarre
abgelöst wird - jeweils nur Ouvertüre für ein sanft
wogendes Streichorchester, arrangiert vom Altmeister Michel Colombier
(Serge Gainsbourg), das aus dem Hintergrund kommend zu epischer Breite
findet.
Freilich
gibt es auch die "anderen" Lieder, die an "frühere"
Air-Alben - vor allem an "Moon Safari" - erinnern. "Surfing
on a Rocket" ist ein Beispiel für die Hommage an den eigenen
Sound, aber auch die Single-Auskopplung "Cherry Blossom Girl",
in der die verspielte Schwerelosigkeit von einst noch einmal spürbar
wird. Auf "Talkie Walkie" bilden sie einerseits den Gegenpol
zu den leisen, introvertierten und intimen Balladen, andererseits
fügen sie sich harmonisch in das Gesamtbild des Albums ein.
So
haben Dunckel und Godin sich nicht neu erfunden, aber wiederum spürbar
weiterentwickelt. Ihrem Ruf als einer der innovativsten Bands dieser
Tage werden sie dadurch erneut mehr als gerecht.
©
Michael Frost, 24. Januar 2004