Wenn
es darum geht, An Pierlé vorzustellen, dann muss man sich ihre
Stimme, ihren Esprit, ihre Musik in einem Koordinatensystem zwischen
Tori Amos und Kate Bush, Regina Spector, Ani Difranco und Anja Garbarek
vorstellen. Unerheblich, mit wem sie die größte Gemeinsamkeit
hat: alle Namen gehören zur Ersten Liga.
An
Pierlé ist eine Popmusikerin im besten Sinne des Wortes. Keine
Rede von banalem Singsang oder einfältigen Melodien. Statt dessen:
vollmundige Vocals einer wandlungsfähigen Interpretin, erdige
Drums, machtvolle Geigen und donnernde Klavierakkorde. An Pierlé
ist keine Leisetreterin, entsprechend ist ihr Albumtitel "White
velvet" (Weißer Samt) irreführend. Denn im Gegensatz
zum weichen Stoff bietet ihre Musik Reibungsflächen, Ecken und
Kanten, stimmliche Eskapaden und ungewöhnliche Arrangements -
und ist dennoch herrlich harmonisch und mitreißend melodiös.
Heute
gehört An Pierlé wohl zu den größten Hoffnungen
der belgischen Musikszene, wohl auch deshalb, weil sie ihren Weg kompromisslos
verfolgt. "White velvet", übrigens bereits ihr drittes
Album, veröffentlicht sie deshalb auf ihrem eigenen Label. Künstlerische
und kommerzielle Unabhängigkeit seien ihr wichtig, und über
die absurden Gesetzmäßigkeiten der Branche macht sie sich
längst keine Illusionen mehr.
"Wo bleiben die Leute", fragt sie, "die etwas Neues
entdecken wollen?" Dieses Publikum, konstatiert sie nüchtern,
werde "doch von einem Radio, das sein Programm vom Computer auswählen
lässt, gar nicht mehr bedient." Was ein weiterer Beleg dafür
ist, dass Computer prinzipiell dumm sind. Denn wären sie intelligenter
und hätten sie ein Gespür für gute Musik, dann liefe
"White velvet" in Dauerrotation.
Andererseits
käme man dann vielleicht seltener in den Genuss, Ann Pierlé
live zu erleben, und dabei sind ihre Hand gemachte Musik und der unverfälschte
Ausdruck wie für die Bühne gemacht. Also nichts wie los
in die Konzerthalle Ihres Vertrauens:
©
Michael Frost, 19.01.2007