Als 
          Cesaria Evora 1988 in Frankreich ihr erstes internationales Album "La 
          diva aux pieds nus" (Die barfüßige Diva) veröffentlichte, 
          wusste man praktisch nichts über die Musik der Kapverden. Selbst 
          eingefleischte Weltmusikfans ließen den Finger über den Globus 
          kreisen, um die vergessene Inselgruppe, 500 km vor der afrikanischen 
          Küste im Atlantik gelegen, ausfindig zu machen.  
          Inzwischen 
            sind die Kapverden längst kein weißer Fleck mehr. Nahezu 
            alle Alben von Cesaria Evora wurden für den Grammy nominiert, 
            und in ihrem Gefolge starteten auch weitere Musiker, u.a. Teofilo 
            Chantre, einer der wichtigsten Songschreiber für die Evora, oder 
            erst kürzlich die junge Sängerin Lura, beachtliche Solokarrieren.
          Das 
            einzige Land, in dem kapverdische Musik traditionell immer einen hohen 
            Stellenwert hatte, ist Portugal. Lange hatten sie als Kolonialmacht 
            über die Inseln geherrscht. Viele Immigranten brachten Kultur 
            und Musik der Kapverden mit auf das Festland und trafen auch unter 
            Portugiesen auf offene Ohren. Denn eine Verwandtschaft zwischen den 
            sehnsuchtsschwangeren "Mornas" der Kapverden und der im 
            Fado beschworenen "Saudade" ist nicht von der Hand zu weisen. 
            
          So 
            gelangte Tito Paris schon 1982 von den Kapverden kommend nach Lissabon. 
            Drei Jahre später erschien sein Debüt-Album "Wronged 
            son". Mit seiner neuen CD, der Liveaufnahme eines Konzerts vom 
            Herbst 2006 in der "Aula Magna" von Lissabon, blickt Tito 
            Paris nun auf seine lange Karriere zurück. Ein 21-köpfiges 
            Orchester begleitet ihn, mal zurückhaltend, mal furios aufspielend. 
            Die Streicher pointieren die Melancholie der Mornas, Bläser treiben 
            die rhythmischen Coladeiras an und liefern jazzige Intermezzi. Dazu 
            gesellen sich die typischen Begleitinstrumente: Gitarre, Percussions, 
            Chor. 
          "Acústico", 
            so der Titel des Albums, ist ungemein stimmungsvoll, sein Rhythmus 
            treibt behutsam, aber unaufhaltsam voran, bis sich auch der letzte 
            Konzertbesucher (respektive CD-Hörer) im Takt der Musik wiegt, 
            sich in der melancholischen Stimme Tito Paris' und dem weichen Klang 
            der kreolischen Sprache verliert. 
          Der 
            Schlüssel zum Erfolg kapverdischer Musik ist vielleicht ihre 
            Internationalität. Rhythmus, Melodien und Harmonien sind so bestechend 
            einfach, dass sie universell verstanden werden können. Zudem 
            finden sich darin trotz der Abgeschiedenheit der Inseln die Traditionen 
            vieler Kulturen wieder: Als Brückenkopf zwischen den Kontinenten 
            waren die Kapverden eine wichtige Drehscheibe für den Schiffsverkehr 
            zwischen Europa, Afrika und Amerika, vor allem für die ehemaligen 
            Kolonien der Portugiesen: Brasilien, Angola, Moçambique.
          Heute, 
            so klingt es, haben die Menschen der früheren Kolonialmacht und 
            ihrer Ex-Kolonien eine heimliche gemeinsame Hymne. Sie heißt 
            "Sodade" und wurde durch Cesaria Evora weltberühmt. 
            Auch Tito Paris kommt an dem Lied nicht vorbei. Das Publikum übernimmt 
            darin die Rolle des Chors, ein berührender Moment und atmosphärischer 
            Höhepunkt eines insgesamt mitreißenden Konzertmitschnitts. 
            
          © 
            Michael Frost, 29.03.2007