1994,
im zarten Alter von 16 Jahren, galt Sara Tavares als "die Withney
Housten von Portugal". Den Ruf erhielt sie, als im selben Jahr
Portugal beim "Eurovision Song Contest" vertrat und einen
respektablen 8. Platz erzielen konnte.
Heute,
zwölf Jahre nach diesem frühen Erfolg und ihrer Veröffentlichung
"Mi ma bô" von 2001, kehrt Sara Tavares mit ihrem
Album "Balancê" auf die internationale Bühne
zurück. Deutlich gereift ist sie, hat an Persönlichkeit
und Ausstrahlung gewonnen, und kaum jemand dürfte sie jetzt noch
als die portugiesische Entsprechung irgendeiner internationalen Größe
titulieren: Sara Tavares hat sich von ihren Vorbildern emanzipiert
und einen einen eigenen Ausdruck gewonnen.
Ihr
besonderes musikalisches Interesse gilt der Musik afrikanischer Einwanderer
in Lissabon, wohl, weil auch die Familie von Sara Tavares einst von
den Kapverdischen Inseln nach Portugal kam. Doch nicht die typischen,
von Cesaria Evora zu Weltruhm gelangten "Mornas" und "Coladeiras"
der Kapverden stehen auf "Balancê" im Mittelpunkt,
sondern Rhythmen und Klänge vom afrikanischen Festland. Portugal
mit seiner Vergangenheit als Kolonialmacht (Angola und Mozambique)
ist heute ein wichtiger Ort für viele Musiker aus diesen Ländern,
denen Sara Tavares in der Vergangenheit offenkundig sehr genau zugehört
hat. Schon ihr voriges Album hatte sie von dem aus dem Kongo stammenden
Star Lokua Kanza produzieren lassen, und "Balancê"
setzt diesen bemerkenswerten Karriereweg fort.
Der
Sound von Sara Tavares ist sanft, gefühlvoll, elegant und sehr
rhythmisch. Ihre Stärke ist weniger die explosive Leidenschaft,
sondern der weiche Zwischenton, fröhlich zwar, aber nicht überschwänglich,
und vom Pathos der US-Diven hat sie sich zugunsten eines behutsamen,
auf Akustik und Rhythmik basierenden Klangs befreit.
Die
Balance zwischen leisem Gefühl und Temperament gelingt. Vielleicht
ist es die portugiesische "Saudade", die den lauten Ausbruch
verhindert. Dem Album tut die Zurückhaltung gut, umso vielschichtiger
ist sein Klang.
©
Michael Frost, 28.02.2006