Als
Kritiker soll man sachlich und distanziert sein, umsichtig und möglichst
objektiv - doch im Falle des Debütalbums "Yellow Daffodils"
von Malia versagt jede Mahnung - wirklich kein Superlativ scheint
zu hoch gegriffen. Also schlagen wir die Warnungen in den Wind, statt
dessen raus mit der Wahrheit: Das Album ist groß, ganz groß,
eine riesige Entdeckung, es macht süchtig, diese atemberaubende
Stimme lässt nicht mehr los, sie gehört zum Aufregendsten,
was die Musikwelt derzeit zu bieten hat. Mit einem Wort: Überwältigend.
Die Zeitung "Le Parisien" feierte Malia bereits als "fast
zu schön um wahr zu sein" - und hat damit vollkommen Recht,
bis auf das "fast". Kurzum: Dürfte man drei CDs auf
eine einsame Insel mitnehmen, eine davon wäre "Yellow Daffodils".
So.
Nachdem das gesagt ist, jetzt also die Fakten. Malia wurde im ostafrikanischen
Malawi als Tochter einer Afrikanerin und eines Engländers geboren.
Die Familie verließ die Heimat, als Malia vierzehn War, und
ging nach England. Dort begann sie nach der Beendigung der Schule
eine Karriere als Background-Sängerin, später als Sängerin
einer eigenen Band. Sie versuchte sich in verschiedenen Stilen, bis
sie eines Tages die französische Sängerin Liane Foly erlebte,
in deren Musik Malia ein Vorbild erkannte. Liane Folys Produzent André
Manoukian zögerte nicht lang, nachdem er das ungeheure Potenzial
in Malias Stimme erkannt hatte und verschaffte ihr die Möglichkeit
optimaler Studiobedingungen, etwa durch die Begleitung so brillianter
Instrumentalisten wie Bob Le Gal und Manu Codjia (Gitarre), Marcello
Giuliani (Bass), Marc Erbetta (Drums) und des großartigen französischen
Jazz-Trompeters Erik Truffaz. Das Ergebnis der Zusammenarbeit steht
jetzt in den Plattenläden: "Yellow Daffodils".
Zehn
der zwölf Stücke schrieben Malia und Manoukian gemeinsam.
Die zwischen Pop, Soul, Jazz, Blues und Gospel angesiedelten Stücke
singt Malia mit einer stimmlichen Spannbreite zwischen Sade, Ella
Fitzgerald, Sarah Vaughn, Nina Simone und Billie Holiday (letztere
ist in einem Sample sogar mit von der Partie) - nicht als Kopie, sondern
als Essenz deren Schaffens, mit einer ureigenen Note, die von André
Manoukian folgendermaßen beschrieben wird: "Sie hat etwas
Zerbrechliches in ihrer Stimme, eine gewisse Zurückhaltung und
Unschuld. Das ist weit mehr als reine Technik. Einerseits geht sie
die Melodie direkt an und hält sich an sie, andererseits drückt
sie trotzdem den Songs ihren ganz eigenen Stempel auf."
Doch
so sehr auch Malia mit ihrer fast unheimlichen stimmlichen Präsenz
im Vordergrund steht, so kann man auch die Bedeutung der durchdachten
Arrangements nicht hoch genug schätzen. Sie schaffen ein gleichsam
kongeniales Umfeld, das mit dem Gesang in perfekter Weise harmoniert.
Die herausragenden Eigenschaften dieses Albums werden bereits im ersten,
dem Titel-Song "Yellow Daffodils" spürbar, wenn nämlich
Malias Stimme ein sinnliches Duett mit Trompeter Erik Truffaz eingeht
und dabei eine atmosphärische Dichte hör- und fühlbar
macht, die ihresgleichen sucht.
"Sie
kann einfach alles singen", sagt André Manoukian, als
könnte er es selbst noch immer nicht glauben, "Jazz, Gospel,
Soul, egal ... einfach alles."
Wir
bitten sogar darum.
©
Michael Frost, 05. April 2003