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Der ruhige Fluss
der Melodie
von Hans Happel


Sie lieben den schönen Klang, den ruhigen Fluss der Melodie, sie verbinden Jazz und Pop zu einer Form, die nicht in Gefälligkeit aufgeht. Dafür sorgt schon der Name des Autors, dessen Gedichte das Julia Hülsmann Trio und die Sängerin Rebekka Bakken ihrer gemeinsamen CD zugrunde legen: Die "Scattering Poems" sind von E.E. Cummings.

Aber die Jazz-Pianistin und die Sängerin antworten auf den experimentellen Dichter der Moderne nicht mit experimenteller Musik, sondern leichtfüßig verspielt und mit einem lyrischen Schmelz in den Klangfarben, der zart und unprätentiös bleibt. 10 Titel, darunter zwei von Randy Newman ("Same girl") und Sting ("A Thousand years"), acht Kompositionen von Julia Hülsman.

Die in Bonn geborene Pianistin, die an der Berliner Hochschule der Künste studiert hat und in New York u.a. von Aki Takase unterrichtet wurde, hat mit der Norwegerin Rebekka Bakken eine gleichrangige Partnerin an ihrer Seite, und beide, Stimme und Klavier, finden sich zu einem Dialog, in dem die Gemeinamkeiten im Vordergrund steht.

Sie haben sich in New York getroffen, und die Komponistin begann für die Sängerin (und Songwriterin) zu schreiben. Bakkens warme, volle Stimme kann weich und dunkel sein, und übergangslos helle und klare Züge annehmen, die an ihr Vorbild Joni Mitchell erinnern. Die Komponistin nutzt Cummings Texte, um ausgesprochen liedhaft zu schreiben, auch dort, wo Sprechgesang vorherrscht, bettet sie die Sprache in sanfte Akkordfolgen.

Zwei Drummer (abwechselnd Heinrich Köbberling und Rainer Winch) sorgen für stetigen Groove und der Bassist Marc Muellbauer unterstützt diskret und elegant Piano und Stimme, wobei er häufig solistisch eingesetzt wird.

Das 1997 gegründete Trio und die Sängerin wachsen zu einem geschmeidigen Ganzen zusammen. Julia Hülsmann verzichtet fast völlig auf große Solopartien. Ihr Tonfall, ihre Klangfarben und Linien unterscheiden sich erheblich vom eher intellektuell geprägten Stil der amerikanischen Jazz-Pianistin Marilyn Crispell, die ebenfalls zwischen Mainstream und Avantgarde pendelt.

In "Scattering Poems" (eine Zeile aus dem Gedicht "The city sleeps") werden die Traditionen nicht aufgebrochen und der rhythmische Fluß nicht unterbrochen. Die lyrischen Klangbilder scheinen dem Lyriker des Experimentellen zu widersprechen, aber Cummings betont in seinen Gedichten das "Geheimnis des Wachsens", und Titel wie "The Lady is a wind" - einer der schönsten Songs des Albums - belegen, dass die hier vorliegende Fusion zwischen Jazz und Pop weder angestrengt gekünstelt ist noch im Gefälligen versandet, sondern dass sich hier zwei ebenbürtige Partnerinnen treiben lassen, sehr klug, zart und angenehm unverkrampft.

Wie sehr das Klavier zur Stimme werden kann, zeigt Julia Hülsmann im Schlußtitel, wenn sie in Stings "A thousand years" den Gesangspart übernimmt. Das ist der programmatische Punkt, den die Komponistin dieses Albums sich erlaubt.

Die großartige Sängerin, die sie gefunden hat, ist 1970 in Oslo geboren, sie kommt aus der norwegischen R&B-, Funk- und Rock-Szene. Als 25-jährige ist sie nach New York gegangen, wo sie sich in erster Linie als Erzählerin, als Sprachrohr für ihre Textbotschaften versteht. Die Zusammenarbeit zwischen den beiden Künstlerinnen ist mit ihrer ersten gemeinsamen CD hoffentlich noch nicht beendet.


© Hans Happel, 29. März 2003

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