Was
treibt einen Mittzwanziger an, ein Album aufzunehmen, das an die großen
Jazzstandards der fünfziger und sechziger Jahre erinnert, das
Chet Baker zitiert und Cole Porter adaptiert, und die meisten Songs
dennoch selbst zu schreiben?
Der
Norweger Sondre Lerche, der in seinem Land bislang als aufgehender
Stern am Pop/Rock-Himmel galt, katapultiert sich mit seinem dritten
Album nun in ein ganz anderes Universum: schon stehen die "Duper
sessions" in den Top 5 der US Billboard-Charts, und zwar in der
Kategorie "Zeitgenössischer Jazz".
Dem
eigenen Bekunden nach entstand das Album fast beiläufig - wie
von selbst. "Ich hatte einige Songs, die ganz anders waren als
das, was ich vorher geschrieben hatte. Also holte ich die Band (das
"Faces Down Quartet" mit Erik Halvorsen, Morten Skage, Ole
Ludvig Krüger und Kato Ådland) in Bergen zusammen. Ich
ging die Lieder mit Erik durch, wir arbeiteten wenige Einzelheiten
der Arrangements aus und entwickelten sie dann spontan mit der Band
im Studio weiter."
So
entstanden in den Duper Studios von Bergen, Norwegen, dreizehn Jazz-
und Popstandards, allesamt live aufgenommen und nur minimal nachbearbeitet.
Meist wurden mehrere Songs pro Tag eingespielt, denn Lerche hatte
gelesen, dass Chet Baker in den 50er Jahren die zehn Songs eines Albums
manchmal in zwei Tagen eingespielt hatte.
Vielleicht
ist dies der Ursprung der intensiv fühlbaren Atmosphäre,
die auch die "Duper sessions" entfalten. Ohne Brüche
greifen die zehn Eigenkompositionen Lerches mit seinen hervorragenden
Coverversionen von Cole Porters "Night and day", "The
more I see you" und "Nightingales" ineinander. Lerche
interpretiert sie - erfrischend uneitel - mit jungenhaftem Charme
und spielerischer Leichtigkeit, erstaunlich souverän und abgeklärt
für einen Musiker seines Alters, und immer wieder mit einem Augenzwinkern
- so etwa in dem urkomischen Bonustrack "Lulu fra Honolulu"
in norwegischer Sprache.
Doch
ebenso bemerkenswert wie Sondre Lerche selbst ist auch der Einsatz
seiner Band. Pianist Erik Halvorsen sei sowieso ein "Jazz-Nerd",
sagt Lerche. Tatsächlich bilden seine lässigen Soli die
Grundlage des entspannt-coolen Sounds. Doch auch Morten Skage (Bass),
Ole Ludvig Krüger (Drums) und Gitarrist Kato Ådland sind
für die dynamische Live-Atmosphäre des Albums unverzichtbar.
Sondre
Lerche selbst bezeichnet sein jüngstes Werk als Pop-Album mit
Jazz-Unterton. Seine Zukunft sieht er denn auch nicht als Jazz-Sänger.
Er wolle kein "Retro-Jazz-Crooner" werden, der in schwarzem
Anzug und Krawatte Cole Porter-Standards covert. Also arbeitet er
bereits wieder an einer neuen CD, die dann eher an seine Popalben
"Faces down" (2002) und "Two way monologue" (2004)
anknüpfen wird. Doch wer weiß: Nicht zuletzt wegen des
Erfolgs der "Duper sessions" könnte er schon bald zum
Jazz zurückfinden.
©
Michael Frost, 22.04.2006