Auf
dem Cover strahlt er kernig-kantig wie der junge Sting, und
das dezent-blaue Sacco, das er zur ausgebleichten Jeans trägt,
erinnert an die Aufmachung von Jamie Cullum. Aber der Münchner
Jazz-Sänger Philipp Weiss debütiert weder mit Sting-Songs
noch kokettiert er mit dem jungenhaften Schmelz des britischen
"Twenty something"-Stars vom letzten Jahr.
Mit
33 ist Weiss kein Youngster mehr und Jamies easy listening-Masche
liegt ihm gar nicht, obwohl er sich für sein erstes Album
YOU MUST BELIEVE IN SPRING - mit Ausnahme einer Eigenkomposition
- bei eingängigen Standards des Jazz-Repertoires umgeschaut
hat.
Philipp
Weiss hat seit 1997 am Konservatorium in München Gesang
studiert, vorher hat er jahrelang Klavier gespielt und dabei
zum Missfallen seiner klassisch geschulten Lehrer den Jazz
entdeckt. Das mag Legende im aufwändigen Presseheft sein,
erklärt aber auch die Ausbildung dieser extrem kultivierten
Stimme. Im Timbre hell, im Tonfall leicht angerauht, im Gestus
präzise und elegant zugleich, ist Weiss zwar noch entfernt
von der Souveränität eines Kurt Elling, aber der
Einfluss des sechs Jahre älteren Amerikaners, der zu
den innovativsten jüngeren Jazzsängern gehört,
ist unverkennbar.
Philipp
Weiss ist ein Vokalist, der seine Stimme - wie Elling - als
Instrument versteht, das er als Teil eines Ensembles einsetzt.
Er tauchte bei zahlreichen New-York-Besuchen in die dortige
Jazz-Szene ein, nahm an einer Meisterklasse des Altstars Mark
Murphy teil, und war danach so unverschämt selbstsicher,
für sein erstes eigenes Projekt den Pianisten Steve Kuhn
um Hilfe zu bitten. Der Bill-Evans-Schüler (Jahrgang
1938) hat sich nach längerem Zögern ("Sobald
einer chattet, bin ich weg") darauf eingelassen.
Sein
Trio (David Fink, Bass und Billy Drummond, drums) wird ergänzt
um Lew Soloff, einen der prominentesten Veteranen des cool
gehaltenen Trompetenspiels, sowie um die Nachwuchsmusiker
Tim Bolden (Flügelhorn) und Eric Alexander (Tenorsaxophon),
deren wunderbar entspannte Soli weitaus mehr sind als kurze
Intermezzi. Sie tragen die Stimme des Sängers, sie lassen
sich auf filigrane Dialoge mit ihm ein.
So
"vergoldet" Tim Boldens Flügelhorn-Solo Weiss`
Eigenkomposition "She brought me back", und Eric
Alexanders Tenorsaxophon holt aus "I fall in love too
easily" jene schwebende Leichtigkeit hervor, die der
Sänger ansteuert. Sympathisch ist dabei, dass er leichte
Unsicherheiten nicht versteckt, dass er zwischen Nähe
und Distanz noch manchmal ins Schleudern kommt, dass er die
Stimme aber im Griff hat, und er sich häufig bescheiden
ins Netz seiner vorzüglichen Musiker zurückzieht.
Zur
Bescheidenheit gehört das Lakonische in der Phrasierung:
Philipp Weiss presst nicht, er bleibt immer leicht, er kann
komplizierte Sprünge nehmen, weite Bögen spannen
und mit langem Atem den Ton in hohen Lagen ausklingen lassen.
"A Child is born" gelingt ihm ebenso gut wie "Everytime
we say goodbye", jener Evergreen von Cole Porter, der
hier offenbar programmatisch am Schluß steht.
Der
Anspruch dieser Musiker ist hoch. Steve Kuhn hat darauf bestanden,
dass der sechseinhalbstündigen Studio-Session keine Proben
vorangehen. So bewahren die live eingespielten Takes eine
Unmittelbarkeit, die den Charme dieser Liebes- und Frühlingslieder
verstärken. Steve Kuhn am Klavier wirkt als Stichwortgeber,
als Dirigent, der die Soli seines Kammerensembles mit spröde
parlierenden Linien vernetzt, während der Mann am Schlagzeug
häufig diskret den Besen schwingt und die elf eher leisen
Songs mit einem Schleifton unterlegt, der die Langsamkeit
und Lässigkeit dieser "Kisses of May" unterstreicht.
"You
must believe in Spring", Titelgebender Song des Albums,
ist als Gebot vollkommen zwanglos, und wir glauben, dass Philipp
Weiss, so zwanglos, wie er sich hier gibt, auf dem Weg ist,
der nicht nach München zurück, sondern in die weite
Welt führt.
©
Hans Happel, 02. Mai 2005