Europa 
          wächst zusammen. Nicht nur politisch, sondern auch kulturell. Darüber 
          hinaus sind die Zeiten vorbei, als Musik aus Zentral- und Osteuropa 
          nur in Form von folkloristischer Balkan- oder Puszta-Polka den Weg ins 
          Ausland fand.  
          Die 
            junge Independent-Szene von Warschau war jüngst sogar dem Heute 
            Journal einen Bericht wert, und die tschechische Hauptstadt Prag gilt 
            schon seit Jahrhunderten als kulturelles Zentrum - ein Status, dem 
            keine Regierungsform jemals wirklich etwas anhaben konnte. Heute beschreiben 
            viele Beobachter die Szene aber so, als sei der sprichtwörtliche 
            Geist aus der Flasche gelassen worden. Entwichen sind dabei Talente 
            wie Ema Bracová und Filip Mísek. Die beiden Prager formen 
            gemeinsam mit Petr Samal und Jan Malich die Band Khoiba und veröffentlichen 
            jetzt nach zwei in Tschechien erschienenen Alben ihr internationales 
            Debüt "Nice traps".
          Das 
            kunstvoll in Szene gesetzte Gesicht von Sängerin Ema erinnert 
            dabei nicht von ungefähr an Björks Album "Homogenic": 
            Ema Brabcova könnte eine geistige, wenngleich auch wesentlich 
            gemäßigtere Schwester der Isländerin sein. Denn bei 
            allen Extravaganzen des Khoiba-Sounds, der sich aus Drum&Bass-, 
            Triphop-, Electronica- und Ambientklängen zusammensetzt, steht 
            der melodiöse Pop als roter Faden im Mittelpunkt. Experimente 
            mit Stimme und Arrangements werden maßvoll dosiert, sind aber 
            zweifelsohne die stärksten Momente auf "Nice traps" 
            (z.B. 202), auch wenn etwa im Song "Make no silence" die 
            Idole von Portishead etwas zu auffällig zitiert werden. 
          "Nice 
            traps" könnten also unter Umständen solche sein, die 
            sich die Vier von Khoiba selber stellen, doch damit würde man 
            der Band nicht gerecht. Denn die Musik ihrer Vorbilder benutzen sie 
            nicht als Blaupause, sondern als Ausgangspunkt für ihre eigene 
            Arbeit. Daraus erwächst dann eine eigene Handschrift, die freilich 
            keine umwälzend neuen Erkenntnis birgt, aber mehr als nur eine 
            Ahnung vom musikalischen Horizont der Prager. Stimmige Atmosphäre, 
            eingängige, aber keineswegs banale Popharmonien, eine melancholische, 
            junge Frauenstimme, klare und einfühlsame Arrangements - viele 
            Indizien dafür, dass tschechische Musiker zur internationalen 
            Alternative-Pop-Szene aufgeschlossen hat. Khoiba sind - hoffentlich 
            - nur die Vorhut. 
          © 
            Michael Frost, 16.03.2005