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Den Atem angehalten


Schon seit einigen Jahren gehört Naked Raven zu Deutschlands interessantesten Sommergästen. Während des Winters arbeitet die australische Band in ihrer Heimatstadt Melbourne an einem neuen Album, um es anschließend auf ausgedehnten Tourneen in Deutschland und anderswo in Europa vorzustellen. Auf diese Weise hat Naked Raven sich in den vergangenen Jahren eine beachtliche Fangemeinde erspielen können - und dies ganz unabhängig von Majorlabels und großen Werbekampagnen. Bekannt wurde die Band allein durch ihre künstlerischen Qualitäten - und die sind beachtlich.

Nach einem Live-Album im vergangenen Jahr steht jetzt bereits die Veröffentlichung des fünften Studioalbums ins Haus: "Holding our breath" heißt die CD, die in mehrerlei Hinsicht eine besondere Produktion geworden ist. Denn die Band hatte einen schmerzlichen Verlust hinzunehmen: Russ Pinney, Gitarrist und bislang Autor der meisten Songs von Naked Raven, hatte die Gruppe im vergangenen Jahr aus beruflichen Gründen verlassen, und als auch noch Cellistin Caerwen Martin ging, wurde das Quintett zum Trio: Janine Maunder (Gesang, Piano), James Richmond (Drums, Percussions) und Stephanie Lindner (Violine).

Ob die Lücke zu füllen sein würde, schien zunächst fraglich, doch auf "Holding our breath" kann Sängerin Janine Maunder zeigen, was in ihr steckt. Sie, die der Band selbst erst seit dem voran gegangenen Album "Wrong Girl" angehört, tritt auf "Holding our Breath" erstmals umfassend auch als Songautorin in Erscheinung. Dabei gelingt ihr ein beeindruckender Spagat: Ihre Lieder liegen eindeutig in der Tradition von Naked Raven und ihrer einzigartigen Mischung zwischen Popballaden, Folk und Kammermusik, doch gleichzeitig entwickelt sie den Bandsound behutsam weiter.

Mehr als auf den bisherigen Produktionen stehen die Streichinstrumente im Vordergrund. Deren Klang trägt Stephanie Lindner (Geige) gemeinsam mit verschiedenen Gastmusikern, gelegentlich sogar einem ganzen Streicherquartett (neben Lindner gehören dazu Kirsty Greig, Jason Bunn, Fiona Furphy).
Stephen Joyce, der Russ Pinney bereits bei der vergangenen Europatour an der Gitarre ersetzte, ist auch auf "Holding our Breath" zu hören, allerdings deutlich zurückhaltender als sein Vorgänger - die Gitarre spielt bei Naked Raven nicht mehr die erste Geige.

Nie zuvor wirkten die akustischen Arrangements so gefühlvoll, weich und klassisch wie auf "Holding our Breath" - und dabei so reif und erwachsen. Die Songs tragen eindeutig weibliche Handschrift, was im direkten Vergleich besonders auffällt: "Someday" ist die letzte Komposition, die Russ Pinney beisteuerte (Der Song war bereits Bestandteil auf "Wrong girl"). Der gerade, gitarrenbetonte Popsong unterscheidet sich recht deutlich selbst von anderen Uptempo-Nummern wie "Come down", wo sich kunstvoll arrangierte Streicher, Klavier und Percussions den Weg unter die eingängige Oberfläche bahnen.

Als geradezu "typisch" Naked Raven kann auch die einzige Coverversion gelten, die das Album enthält: Die Australier verwandeln den Eurythmics-Klassiker "Who's that girl?" in eine sanfte Ballade im leisen Rumba-Rhythmus, streng akustisch mit betonten Percussions (grandios: James Richmond).

Angesichts der personellen Veränderungen innerhalb der Band ahnt man die schwierigen Bedingungen, unter denen dieses Album entstanden sein muss. Doch aus einer Situation, an der schon viele andere Gruppen zerbrachen, geht Naked Raven sogar gestärkt hervor. Maunder, Lindner und Richmond haben ihren Sound verfeinert und zugespitzt, konnten dadurch nochmals an Profil gewinnen und verfügen nunmehr über einen Wiedererkennungswert, der in dieser Form eine Überraschung ist. "Holding our Breath" - das gilt vor allem für ihr Publikum.

© Michael Frost, 03.07.2004

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