Manu
Chao, französischer Weltmusiker mit spanischem Wohnsitz und ausgeprägtem
Faible für explosive lateinamerikanische Rhythmen hatte wieder
einmal den richtigen Riecher. Außerdem war er klug genug, die
Anhänger des eigenen Sounds nicht als Konkurrenz abzutun. Statt
dessen ging er mit ihnen auf Tour und beteiligt sich nun auch an ihrem
Europa-Debüt. Die Rede ist von Karamelo Santo, einer verwegenen
siebenköpfigen Kombo aus dem argentinischen Mendoza. Die Band
spielt bereits seit 1993 zusammen - und kommt jetzt erstmals zu uns.
Dem
staunenden Mitteleuropäer steht einiges bevor: Karamelo Santo
ist die temperamentvollste Latin-Reggae-Ska-Punk-Rock-Band seit der
Auflösung von Mano Negra. Ihr im Mai 2003 veröffentlichtes
Album "Los Guachos" gibt ein furioses Temperament vor, das
es während der gesamten Spielzeit beibehält und eher noch
steigert - garantiert nichts für schwachbrüstige Bleichgesichter
mit Atemnot.
Zu
dieser Musik will gefeiert werden, selbst wenn es dabei längst
nicht nur um "Marihuana, vino y amor" geht, wie es im Titelsong
"Los Guachos" heißt, Karamelo Santo kommentieren immer
wieder auch die schwierige soziale und politische Lage in Argentinien.
Das Land ist zerrieben zwischen vergangenen Diktaturen, gegenwärtiger
Korruption und der Abhängigkeit von IWF und Weltbank. Globalisierung
mag für Europäer ein neu entdecktes Phänomen sein,
seit sich die Industriestaaten die Arbeitsplätze auch untereinander
streitig machen - Lateinamerika leidet darunter schon seit Jahrhunderten,
und die sozialen Gegensätze werden immer schärfer.
Wie
bei Manu Chao ist die politische Thematik also auch bei Karamelo Santo
allgegenwärtig. Dennoch behält der Partycharakter selbst
dann die Oberhand, wenn Karamelo Santo harte Rocksounds in die Latinrhythmen
einbauen, und das passiert durchaus häufig. Mit einer Vielzahl
von Gastmusikern durchziehen die unterschiedlichsten Rhythmen das
Album wie stürmische Gewitterwolken, entladen sich unvermittelt
und machen blitzartig Platz für neue Sounds aus allen Himmelsrichtungen
- hier brennt die Luft !
©
31. Mai 2003 Michael Frost