Dem
Latin-Pop, wie man ihn in Europa kennt, wird oft der seichte Unterhaltungscharakter
vorgeworfen. Er sei reine Tanzmusik ohne inhaltlichen Tiefgang, letztlich
eine folkloristische Aufbereitung traditioneller Rhyhthmen für
den internationalen Markt.
Die
mexikanische Kombo "Los de Abajo" (Die von unten), benannt
nach einem Klassiker der revolutionären Literatur in Mexiko,
beweist allerdings, dass es durchaus möglich ist, beide Ansprüche
zueinanderzubringen und auch in fröhlicher und rhythmischer Musik
ernste Themen unterzubringen.
Los
de Abajo mixen Salsa, Punk, Funk, Ska, Hip-Hop und traditionelle Folklore
zu einer temperamentvollen und politisch brisanten Musik, deren Texte
sie selber als "revolutionäre Poesie" bezeichnen. Dabei
sind längst nicht alle Titel so deutlich wie etwa "Sr. Judas"
mit seiner Kritik an der politischen Korruption oder "Joder",
das in Mexiko als Anklage gegen die Verstrickung der Regierung in
den Drogenhandel verstanden wird.
Die
Texte zielen auf den Kopf, der Rhyhthmus geht in die Beine. Weil sie
sich sowohl textlich als auch musikalisch mit ihrer Heimat und der
Gesellschaft auseinandersetzen, in der sie leben, sind sie glaubwürdige
Vertreter der eigenen Sache - und in gewisser Weise auch Sprachrohr
einer jungen Generation in den Ländern Lateinamerikas, die von
der Gängelung und Ausbeutung der eigenen Politikern die Nase
gestrichen voll hat, anstatt jedoch dem übermächtigen Einfluss
der USA zu erliegen, nach eigener Identität und neuem Selbstbewusstsein
strebt.
Das
dieses Streben nach Unabhängigkeit und Freiheit nicht zwangsläufig
mit ernster Verbissenheit einhergehen muss, hat uns die lateinamerikanische
Musik schon immer vorgemacht. Nachdem mit Manu Chao und Sergent Garcia
erstmals auch Europäer diese Tradition aufgegriffen haben, rücken
nun gewissermaßen auch die "Erfinder" der "revolutionären
Poesie" in unser Bewusstsein.
Michael
Frost, 20. April 2002