Ab
der zweiten Hälfte der 80er Jahre herrschte in der Pariser Alternativ-Szene
Aufbruchstimmung. Dem multikulturellen Lebensgefühl der Seine-Metropole
entsprangen musikalische Blüten wie Les Négresses Vertes
oder Mano Solo, die den eingefahrenen Chanson-Betrieb kräftig
aufwirbelten, arabisch-stämmige Musiker um Khaled und Cheb Mami
und eben Mano Negra, die bunteste Truppe der Stadt, die den "Patchanka"
erfanden, wie sie ihre hochexplosive Mischung von Reggae, Salsa, Rai,
Ska, Rock, Chanson und Punk nannten.
Manu
Chao (Foto), Sänger, Gitarrist und Texter von Mano Negra, dessen
Eltern aus Spanien stammen, wuchs in einem Vorort von Paris auf. Schon
früh tauchte er in die Pariser Szene ein, bis er Mitte der 80er
seine eigene Band auf die Beine stellte. Dazu holte er seinen Bruder
Antonio (Trompete), seinen Cousin Santiago Cassariego (Schlagzeug).
Daniel Jamet (Gitarre), Jo Dahan (Bass), Philippe "Garbancito"
(Percussions) und Thomas Darnal (Tasten) formten "Mano Negra",
die "Schwarze Hand", bis dahin Name einer Gruppe anarchistischer
Aktivisten aus Spanien, zur Combo.
Der
unvergleichliche musikalische und sprachliche Mix (Mano Negra sangen
Französisch, Spanisch, Englisch und Arabisch) fand auf Anhieb
eine begeisterte Zuhörerschar. 50.000 Exemplare verkauften Mano
Negra von ihrem ersten Album "Patchanka". Als sie 1989 im
Vorprogramm der Stray Cats auftraten, wurden auch die großen
Plattenfirmen aufmerksam. Sie unterzeichneten schließlich bei
Virgin, wofür sie in der Szene massiv kritisiert wurden. Mano
Negra aber wollten den Erfolg über Frankreich hinaus und hielten
dafür einen Kontrakt mit einem Major-Label für unentbehrlich.
Letztlich waren sie klug genug, ihre künstlerische Unabhängigkeit
vertraglich festzulegen, so dass ihnen die Plattenfirma nicht in die
Produktion hineinreden konnte.
Sie
sollten Recht behalten. "Puta's Fever", ihr zweites Album,
wurde zum Riesenerfolg. In Frankreich setzten sie 400.000 Exemplare
ab, weitere 300.000 im Ausland. In der Folge gingen sie auf Tournee,
in Frankreich, aber auch in den USA und in Südamerika. Den amerikanischen
Markt hatten sie vor allem mit der Compilation "Amerika perdida"
im Blick, doch das Musikbusiness in den USA, aber auch in Großbritannien
konnte mit den Pariser Multikulti-Punks, die noch nicht einmal einen
Manager besaßen, nichts anfangen, sie passten nicht ins Gewerbe.
Die Fans sahen das glücklicherweise anders. In den USA traten
Mano Negra als Support für Iggy Pop auf, aber auch auf verschiedenen
Alternativ-Festivals.
Trennungsgerüchten begegneten sie 1991 mit ihrem in Deutschland
aufgenommenen Album "King of Bongo". Es wurde ihr vielseitigstes
Album: alle im Universum Mano Negras denkbaren Stile und Richtungen
tauchen im raschen Wechsel der Lieder auf, bishin zum Summen eines
offensichtlich kaputten Kühlschranks im Walzertakt: "Le
bruit du frigo".
Das
Album ist, wie seine Macher, politisch engagiert und radikal. Mano
Negra verweigern sich den Gesetzen des Marktes, wollen keine Promotion
des Albums, das aber dennoch ein großer Erfolg wird. Sie gehen
auf Tour durch die französische Provinz, Mexiko und Japan, wo
sie den Mitschnitt für ihr Live-Album "In the hell of patchinko"
aufzeichnen.
Lateinamerika
war für Mano Negra immer von besonderer Faszination, wegen des
kulturellen Einflusses auf ihre Musik, aber auch aufgrund der widersprüchlichen
gesellschaftlichen Verhältnisse der meisten Länder. Im Frühjahr
1992 gingen Mano Negra also auf große Fahrt: Gemeinsam mit einer
alternativen Theater-Gruppe baute die Band ein Schiff um, das sie
als Transportmittel und auch als Auftrittsort nutzten. Die Tour dauerte
fünf Monate und führte sie u.a. nach Havanna, Caracas, Rio
de Janeiro bis nach Buenos Aires.
Die
Tour wurde zur wichtigen Selbsterfahrung und beflügelte die Band
zu weiteren Experimenten. Im Herbst 1993 brachen Mano Negra erneut
nach Südamerika auf, diesmal zu einer Reise mit der Eisenbahn
durch Kolumbien. Sie traten dort an den verschiedensten Orten auf,
meistens direkt an den Bahnstationen, erlebten die schwierigen Lebensbedingungen
der Kolumbianer, aber auch den herzlichen Empfang, den ihnen die Einheimischen
bereiteten. Sie mussten mit lokalen Guerilla-Gruppen die Erlaubnis
zur Weiterreise aushandeln und muteten sich auch sonst allerhand zu.
Verschiedentlich führten die Strapazen der Reise zu bandinternen
Auseinandersetzungen - und zur vorzeiten Abreise einzelner Mitglieder.
Über die Reise berichtete Manus Vater, der Journalist Ramon Chao
in einer Art Reisetagebuch, das 1994 unter dem Titel "Un train
de glace et de feu" (Ein Zug aus Eis und Feuer) veröffentlicht
wurde.
Die
Erfahrung, welche die Band auf den Reisen sammelte, setzten sie 1994
in den Liedern ihres nächsten Albums "Casa Babylon"
um. Auf der CD sind die verschiedensten Richtungen lateinamerikanischer
Stilrichtungen kaleidoskopartig vereint. Im Jahr darauf entschieden
sich die Bandmitglieder, nach Spanien umzuziehen und nahmen Quartier
in Madrid. Auseinandersetzungen mit den ausgestiegenen Musikern brachten
Manu Chao dazu, Mano Negra in ein neues Projekt einzubeziehen, das
"Radio Bemba Sound System" getauft wurde und sowohl aus
Mano Negra-Mitgliedern als auch aus neuen spanischen und italienischen
Musikern bestehen sollte.
Das
Experiment scheiterte; Manu Chao verließ die Gruppe 1995 und
veröffentlichte 1999 mit "Clandestino" ein auch international
erfolgreiches Solo-Album im Stile Mano Negras. Eine Reunion der Band
scheint aber nicht völlig ausgeschlossen, denn eine offizielle
Auflösungserklärung hat es nie gegeben.
AG
/ 15.03.2001
Fotos
und biographische Daten: www.angelfire.com
biographische Daten: www.rfimusique.com