"Deutscher 
          Pop jetzt !" titelte der Musik-Express in seiner September-Ausgabe 
          2003 und bejubelte die Impulse, die deutschsprachiger Pop derzeit durch 
          Bands wie "Virginia Jetzt", "Wir sind Helden" oder 
          "Mia" erfährt. Zu Recht, doch ein Bandname fehlt: Rotes 
          Haus.  
          Auch 
            wenn diese Band, die sich 2000 in Hamburg gründete, dem Etikett 
            "Pop" vielleicht aus nachvollziehbaren Gründen widersprechen 
            würde, so beweist ihre Musik jedoch, dass so etwas wie eine neue 
            Bewegung der deutschen Musikszene in der Luft zu liegen scheint, die 
            Zulauf von kreativen und politisch anspruchsvollen Musikern und Textern 
            - als überfällige Gegenbewegung zur gecasteten Retortenware 
            - erhält. 
          Der 
            aktuelle Beitrag von Rotes Haus zu dieser enstehenden Bewegung heißt 
            "73.29 Minutes to save the World". Das Album vermag die 
            Welt freilich nicht wirklich zu retten - müht sich aber redlich, 
            indem die Songs so ziemlich jedes politische Problem dieser Tage beleuchten: 
            Kindesmisshandlung, Irakkrieg, Rassismus, der Tod des Demonstranten 
            beim G8-Gipfel von Genua 2001 oder den Hamburger Senat: "Vom 
            Richter zum rechtsstaatlichen Rächer, vom Richter zum recht fraglichen 
            Sprecher - rechtsstaatliche Verbrecher, die recht stark unterstützt 
            vom Lügenflechter Springer, den Senat in einen rechten Zwinger 
            schlechter Gewinner verwandelten ..." ("An einem neuen 
            Morgen danach").
          Dass 
            es dabei manchmal auch etwas grobschnittig zur Sache geht, liegt in 
            der Natur des Formats drei- bis fünfminütiger Popsongs und 
            geht letztlich voll in Ordnung. Gut, dass überhaupt wieder provokante 
            politische Musik gemacht wird, denn spätestens seit dem Tod von 
            Rio Reiser mussten die Deutschen auf anspruchsvolle politische Texte 
            verzichten, zumal die meisten der übrigen politischen Sänger 
            aus unkritischer Loyalität zur rot-grünen Bundesregierung 
            verstummten oder einfach dem Zeitgeist unterlagen.
          Doch 
            nicht nur die Texte, auch die Musik von Rotes Haus hebt sich von der 
            anderer neu-deutscher Bands ab. Als linke Band orientieren sie sich 
            am Ethnopunk von Mano Negra und Manu Chao, integrieren Elemente aus 
            der Weltmusik in ihren Sound ("Babylon by Bus"), rocken 
            auch mal anarchisch drauf los ("Woll'n wir durch") oder 
            covern die französische Ethnopopband Les Négresses Vertes 
            ("Il"). 
          Allerdings, 
            und das macht die Schwierigkeit politischer Bands dieser Tage gegenüber 
            ihren Vorgängern aus, stoßen engagierte Künstler noch 
            längst nicht in gleichem Maße auf eine politische Entsprechung 
            in der Gesellschaft wie in den 70er und 80er Jahren. Und so fragt 
            sich Rotes Haus mit provozierender Ratlosigkeit: "Wie kalt muss 
            es noch werden, bevor die Straße wieder brennt ?"
          © 
            Michael Frost, 09.09.2003