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Das entscheidende
Quäntchen


"Der erste Flugversuch", so nennt Madreblu-Sängerin Raffaella Destefano "Necessità", das zweite Album des Duos. "Prima dell'alba", das Band-Debüt von 1997, das in Deutschland erst in diesem Frühjahr veröffentlicht wurde, war demnach nur eine Trockenübung ? Das klingt nach Understatement "all'Italiana", und angesichts der Qualität der beiden bisher erschienen Alben hätten Madreblu allen Grund zu größerem Selbstbewusstsein.

Raffaella Destefano und Partner Gino Marcelli gelten nämlich mittlerweile als eine der ganz wenigen italienischen Gruppen, die sich abseits des typischen Italopop-Mainstreams bewegen und sich überzeugend um die Durchsetzung einer eigenständigen Variante des Alternative-Pop bemühen. Madreblu kann vielleicht als Italiens Antwort auf die Cranberries bezeichnet werden: harmonisch, melodisch, aber trotzdem nicht banal, immer mit dem entscheidenden Quäntchen Experimentierlust und Tiefgang über dem Durchschnitts-Allerlei.

Nun also "Necessità", das zweite Madreblu-Album binnen Jahresfrist, das in Deutschland erscheint - in Italien ist es bereits seit 1999 auf dem Markt, und tatsächlich klingt es gegenüber dem Vorläufer nochmals gereift, (stil-)sicherer und konsequenter.

Am besten klingen Madreblu, wenn sie mutig sind und je weiter sie sich vom Mainstream entfernen. "Bargiallo" etwa überzeugt mit treibenden Beats, mit "Calma" gelingt eine atmosphärische, sehr introspektive Ballade mit schönen Geigenläufen.

"Reiko" schließlich, in Italien als Single ausgekoppelt, ist sicherlich das stärkste Lied des Albums. Es beginnt mit pulsierenden Keyboards und einer einsamen E-Gitarre, bis sich schließlich der Refrain als wogender Klangteppich ausbreitet, vor dessen Hintergrund sich die Stimme Raffaella Destefanos voll entfalten kann. Sowieso ist sie Dreh- und Angelpunkt des Bandsounds. Ihr warmer und kraftvoller Gesang gibt den ausgefeilten Arrangements den letzten Schliff.

Mit der Veröffentlichung von "Necessità" sind jetzt beide bislang erschienen Alben der Band auch in Deutschland erhältlich. Somit kann die Ankündigung von Raffaella Destefano, die sie im März im Gespräch mit CD-KRITIK.DE gemacht hatte, wohl wahr gemacht werden: Das nächste Album solle in Italien und Deutschland parallel, "in Echtzeit", erscheinen. Wäre das Duo aus England oder aus den USA, müsste man sich über solche Dinge gar keine Gedanken machen: sie wären längst Superstars.

© Michael Frost, 19.10.2002

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