Fado
ist eine feierliche, erhabene Angelegenheit. Der in der Musik zum
Ausdruck kommende Schmerz, Sehnsucht und Wehmut werden von den Interpretinnen
mit Stolz und Würde vorgetragen. Hoch erhobenen Hauptes tritt
die Fadista vor ihr Publikum, das in schweigender Ergriffenheit verharrt
und sich von der Aura der Interpretin und der Musik gefangen nehmen
lässt. Vielleicht ist es diese würdevolle Konstellation,
die danach verlangt, die beste und überzeugendste Sängerin
zur "Königin des Fado" zu küren, obwohl der Fado
eigentlich in den armen Arbeitervierteln von Lissabon entstand - vielleicht
aber auch gerade deshalb.
Mariza hätte wohl große Chancen, im Falle einer offiziellen
Auslobung den Titel der Fado-Königin zugesprochen zu bekommen.
Die Portugiesin eroberte ihre Heimat bereits mit ihrer ersten Veröffentlichung
"Fado en mim" (Der Fado in mir) im Sturm, spätestens
mit ihrer zweiten CD "Fado curvo" sorgte sie auch auf internationalen
Bühnen für Furore. Ihren denkwürdigen Auftritt in der
Londoner Union Chapel hielt sie sogar auf einer DVD fest, die 2004
erschien.
Nun
legt sie bereits ein neues Studioalbum nach, das sie fern ihrer Heimat,
in Brasilien einspielte. Der ungewöhnliche Aufnahmeort ist vielleicht
der erste Hinweis darauf, dass Mariza nicht auf die traditionelle
Form des Fado festgelegt werden möchte. Bereits das erste Lied,
"Há uma música do povo", bindet ein ganzes
Orchester ein - arrangiert von Jacques Morelenbaum, einem Produzenten
von Weltrang, der bereits mit sämtlichen Größen des
Bossanova arbeitete. Für den traditionellen Fado ist seine ausladende
Orchestrierung ungewöhnlich - normalerweise kommt der Fado mit
schlichter Gitarrenbegleitung aus.
Doch
die Streicher zeichnen den sonst so dramtischen und schmerzvollen
Fado in weichen und anmutig geschwungenen Linien. Der Titelsong "Transparente"
gibt sich geradezu von schwebender Leichtigkeit - er ist eine Art
Call&Response-Duett zwischen Mariza und einer Querflöte,
das im Verlauf durch brasilianische Percussions ergänzt wird.
Schon in ihrem Londoner Konzert hatte Mariza bestritten, dass Fado
ausschließlich eine schwermütige Angelegenheit sein müsse,
und unter dem Einfluss brasilianischer Sonne lässt sie ihre Melodien
nochmals heller und heiterer erstrahlen.
"Transparente"
- im Zusammenhang mit Marizas aktueller Produktion kann damit nur
die unverfälschte Übersetzung eines Gefühls in Musik
gemeint sein. Etwas anderes war der Fado zwar nie, aber Mariza zeigt,
dass sich im Fado weit mehr Emotionen ausdrücken lassen als die
ihm typischerweise zugeschriebene "Saudade".
©
Michael Frost, 08.04.2005
Mariza Tour-Daten