Wenn
Sie sich für kubanische Musik interessieren, ist es ziemlich wahrscheinlich,
dass Sie Miguel 'Angá' Díaz bereits gehört haben,
vermutlich sogar mehrfach. Er gilt nämlich als einer der bedeutendsten
congueros überhaupt - also als Virtuose an den Kongas. In dieser
Funktion ist er seit zwanzig Jahren an zahllosen Veröffentlichungen
beteiligt. 1987 wurde er sogar Mitglied der berühmten kubanischen
Band Irakere, bei der sieben Jahre blieb.
Anschließend
arbeitete er u.a. mit dem experimentellen Jazz-Saxophonisten Steve
Coleman. Mit ihm tourte er durch Indien und den Senegal, wo beide
mit lokalen Musikern auftraten und gemeinsame Aufnahmen einspielten
- gleichsam auf den Spuren seines Instruments, das heute in ganz unterschiedlichen
Kulturen seine Verwendung findet. Schon zuvor hatte Díaz sich
an Juan de Marcos' Projekt der "Afro Cuban All Stars" beteiligt,
das einen musikalischen Bogen zwischen afrikanischen und kubanischen
Rhythmen spannte. Nicht zuletzt kennt man ihn auch hierzulande jedoch
durch seine Zusammenarbeit mit zwei Legenden des Buena Vista Social
Club: Pianist Rubén Gonzáles und Sängerin Omara
Portuondo.
Es
ist das von Gonzáles ergreifendem Klavierspiel dominierte Stück
"Pueblo nuevo", an das man sich erinnert. Es ist auch auf
Díaz' Album "Echu mingua" enthalten, allerdings nicht
in der durch den Buena Vista Social Club bekannt gewordenenen Version.
Die Kongas wirken hier verstärkt, als ob sie mit dem Piano in
einen gleichberechtigten Dialog eintreten würden. Der Song wird
langsam aufgebaut, wechselt nach der Hälfte seinen Charakter
von einem eher getragenen Rhyhtmus zu einem temperamentvollen Konzept,
in das zusätzlich Trompete und afrikanische Gitarre eingebaut
wurden.
DJ-Elemente,
Scratches und Samples verfremden nicht nur in "Pueblo nuevo"
die Traditionalität des Klangs. "Das Konzept dieser Platte",
erklärt Díaz, "ist die Zusammenführung von Kubanischem,
Afrika und DJ-Kultur." Und Jazz.
Seine
Version von Coltranes "A love supreme" ist mehr als nur
der Schlüsselsong dieses Albums, es ist ein Meisterwerk der Arrangeurskunst.
Wie
von selbst fügen sich unter Díaz Regie so verschiedenartige
Elemente wie Bass, Samples, Klavier, Scratches, Kongas, Trompete,
Triphop-inspirierte Geigen und ein beschwörend wirkender Backgroundchor
zu einem organisch verbundenen Körper aus Klängen, die schließlich
in den hypnotischen Gesang des aus Mali stammenden Sängers Baba
Sissoko mündet. Díaz widmet Coltrane diese großartige
Fassung seiner Komposition, und der Altmeister darf sich ebenso geehrt
fühlen wie auch Thelonious Monk, dessen "Round midnight"
durch 'Angá' Díaz eine weitere Bearbeitung erfährt:
die Melodieführung, die im Original dem Piano obliegt, wird hier
kurzerhand den Kongas übertragen. "Das war eine Herausforderung",
erklärt Díaz, "denn ich benötigte sieben Kongas.
Nur eine weniger und das Ergebnis wäre nicht das selbe."
Erstaunlicherweise
ist "Echu mingua" das erste Album, das Miguel 'Angá'
Díaz selbst als Bandleader verantwortet, so ausgereift klingt
das Zusammenspiel so unterschiedlicher Gäste wie Cachaito López
(Bass), Baba Sissoko, dem französischen DJ Dee Nasty, Magic Malik
(Flöte), Chucho Valdéz und Rubén Gonzáles
(Piano) und vielen weiteren, die zum Teil nur für einen bestimmten
Song, eine bestimmte Klangfarbe in das Ensemble geholt wurden, die
Díaz notwendig erschien, um seine mitreißende Fusion
dieser fast alle Kontinente umspannenden Rhythmen umzusetzen, für
die man in Kuba längst einen Namen gefunden hat: Rumbadelica.
©
Michael Frost, 27.03.2005
Miguel
Angá Díaz: Echu mingua
(World Circuit/Indigo WCD 071)