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In Höchstform


Wer bislang annahm, die Kuba-Welle würde sich selbst irgendwann überleben und zu den Akten gelegt werden können, wird umdenken müssen. Sowieso war die Annahme falsch, weil sie die geradezu unglaubliche Energie und Kreativität von Musikern wie Compay Segundo, Ibrahim Ferrer, Ruben Gonzalez oder Omara Portuondo unterschätzte.

Die Sänger und Instrumentalisten des "Buena Vista Social Club" sind wie Geister, die man endlich aus der Flasche ließ - und zur allgemeinen kulturellen Bereicherung weigern sie sich beharrlich, in dieselbe zurückzukehren.

Im Gegenteil. Sie drängen in immer neue Sphären vor und gehören längst zu den ganz Großen im internationalen Musikbusiness - allen voran Compay Segundo, charismatischer Kopf des Buena Vista Social Club. Alle Mitglieder der "ältesten Boygroup der Welt" sind Weltstars, seit sich die Band unter der Regie von Ry Cooder neu formierte.

Längst haben die Bandmitglieder bewiesen, dass ihr künstlerischen Potenzial weit über ihr Hitalbum hinausreicht. Mit "Duets" stellt Francisco Repilado alias Compay Segundo seine Kreativität in beeindruckender Höchstform unter Beweis.

Die größte Überraschung erwartet den Hörer gleich mit dem ersten Titel: "Saludo a Chango" ist ein Duett mit dem aus Algerien stammenden Raï-Star Khaled. Gemeinsam gelingt ihnen das Unmögliche: Sie schlagen eine Brücke zwischen maghrebinischem Pop und karibischem Son und kommen dabei zu einem wirklich inspirierenden Ergebnis.

Aber auch die weiteren Stücke des Albums zeugen von gleichermaßen professioneller und origineller Kreativität. Neben Aufnahmen mit verschiedenen Kollegen des Buena Vista Social Club, darunter Eliades Ochoa und die große Omara Portuondo, gibt sich auch eine weitere zwischen den Welten wandelnde Diva die Ehre: Cesaria Evora, deren wunderschönes Duett "Lágrimas negras" schon auf einer Sonder-Edition ihres Grammy-nominierten Albums "Sao Vicente di longe" zu hören war.

Mit Charles Aznavour ist auch ein Veteran des französischen Chansons von der Partie: er gibt mit Compay Segundo den Klassiker "Morir de amor".

Würde man das Lebensalter der beteiligten Musiker zusammenzählen, das Ergebnis dürfte unglaublich sein - doch in der souveränen Reife der gemeinsamen Interpretation ist die Lebenserfahrung der Sängerinnen und Sänger allgegenwärtig.

Compay Segundos und Pio Leyvas erste gemeinsame Aufnahme des Lieds "La juma de ayer" entstand 1957. Der Legende nach musste die Einspielung damals aufgrund der Unruhen wegen den nach Havanna einrückenden Revolutionstruppen um Fidel Castro und Che Guevara abgebrochen werden. Auf "Duets" findet sich deshalb das Ergebnis ihres "zweiten Anlaufs", den sie erst 1997 unternahmen.

Der Altersdurchschnitt wird allerdings deutlich gesenkt durch die Beteiligung von zwei weiteren Überraschungen: Lou Bega, dessen "Mambo No. 5" noch in aller Ohren ist - in seiner Begleitung lässt sich auch Compay Segundo zu einem Mambo hinreißen - und schließlich der spanische Hollywood-Star Antonio Banderas, dem mit seiner von ihm selbst ins Spanische übersetzten Interpretation von "Beautiful Maria of my soul" eine Ballade von beachtlicher Schönheit gelungen ist.

"Duets" schließt mit "Tente en pie", einer Aufnahme, die mittlerweile über fünfzig Jahre alt ist. Sie rundet das Bild ab, aber sie schließt das Kapitel "Son" nicht ab. Wie gesagt: Der Geist ist der Flasche entkommen. Wir warten also auf weitere Großtaten !

 

Michael Frost, 23. Februar 2002

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