Ry
Cooder ist eine Ausnahmeerscheinung. Seine herausragende Karriere währt
bereits seit mehreren Jahrzehnten, und sein Einfluss auf die zeitgenössische
Musik dürfte weitaus größer sein, als es vielen Beobachtern
bewusst ist. Oft genug nämlich bleibt Ry Cooder mit seiner Musik
im Hintergrund. Er versteckt sich hinter den Bildern des Films, dem
er die Musik stets passgenau auf die Zelluloid-Rolle schreibt, oder
auch hinter anderen Musikern, die fortan eine Weltkarriere beginnen,
während er sich als zufrieden lächelnder Beobachter im Hintergrund
hält. Allerdings: Erkennbar bleibt er immer, und zwar aufgrund
seines unvergleichlichen Spiels auf der Slide-Gitarre.
Beispiele
gefällig ? Nehmen wir zunächst einmal Wim Wenders' Film
"Paris Texas" (1983). Cooders unvergessene einsame Gitarre
begleitet den ganzen Film und verstärkt die von Wenders' Bildern
erzeugte Stimmung um ein Vielfaches. Noch heute erkennt man diese
magische Musik sofort, auch ohne den Film.
Sein
jüngster Erfolg ist schließlich der Buena Vista Social
Club. Cooder war es, der die kubanischen Alt-Stars zusammensuchte
und für die Aufnahme eines neuen Albums mit alten Liedern begeisterte.
Gemeinsam mit Sohn Joaquim Cooder ist er als Musiker unverkennbar
beteiligt, doch ganz "Cooder-like" verschmelzen Vater und
Sohn mit den übrigen Musikern, halten sich dezent zurück
und überlassen Ibrahim Ferrer, Compay Segundo und den anderen
die Bühne.
So
viel Bescheidenheit ist selten, gerade bei westlichen Musikern, die
sich mit der Weltmusik befassen. Oft genug erinnert es an alten Kolonialstil,
was Europäer und Nordamerikaner fabrizieren, wenn sie sich einmal
mit Kollegen aus Lateinamerika, Afrika oder Asien einlassen - zu oft
suchen sie lediglich eine "exotische" Note, nicht aber gleichberechtigte
Partner.
Zu
dieser Kategorie gehört Ry Cooder nachweislich nicht, und auch
deshalb ist er eine Ausnahme. Nun hat er mit einem weiteren kubanischen
Musiker ein Album aufgenommen: Manuel Galbán. Der Gitarrist,
Organist und Pianist hatte - wie auch der Buena Vista Social Club
- seine große Zeit vor dem Beginn der Castro-Revolution, allerdings
war er Vertreter eines anderen Musikstils, nämlich des Mambo
und des Cha Cha Cha. Mit seiner Band "Los Zafiros" gehörte
Galbán zu den Erfolgreichsten des Genres, die zu Beginn der
1950er Jahre auch die Unterhaltungsmusik in den USA beeinflussten.
Cooder
traf Galbán bei seinen Aufnahmen mit dem Buena Vista Social
Club und lud ihn zur Mitarbeit ein. Tatsächlich wirkte er bereits
auf dem fantastischen Solo-Album von Omara Portuondo mit. Nun erleben
wir Cooder und Galbán als Duo mit zwei E-Gitarren, erweitert
um Cachaito Lopez (Bass), Joaquim Cooder und Jim Keltner (beide Drums),
Miguel Diaz (Percussions). Das Resultat klingt leicht, unbeschwert
und relaxed, eine Reminiszenz an die 50er Jahre, in der sich der nordamerikanische
Stil eines Henri Mancini und der sanft wogende lateinamerikanische
Rhythmus von "Los Zafires" begegnen und kulturelle wie politische
Grenzen mit spielerischer Leichtigkeit überwinden.
"Diese
Musik ist kraftvoll, lyrisch und unterhaltsam", sagt Cooder über
das Ergebnis der Zusammenarbeit und fragt rhetorisch: "Was kann
man mehr verlangen ?"
©
Michael Frost, 22. Februar 2003