Suchen nach:
In Partnerschaft mit Amazon.de

Seltsam beunruhigend


Seine Discographie reicht zurück bis in das Jahr 1967. Damals begründete Caetano Veloso gemeinsam mit anderen brasilianischen Kollegen den "tropicalismo", ein Soundkonzept, das Brasilien aus der künstlerischen Isolation - gemeint war jedoch ebenso die politische - befreien sollte. Heute beziehen sich sowohl in seiner Heimat als auch international zahllose Musiker auf seine Arbeit, doch Veloso selbst hörte nie auf, seine Visionen weiter zu entwickeln.

Und so ist auch sein neuestes Album "Zii e Zie" keineswegs eine schale Kopie früherer Meisterwerke, sondern ein musikalisches Plädoyer auf der Höhe der Zeit. Das Album verbindet Bossanova, Jazz, Electronica und E-Musik, Rhythmik und Melodie wirken häufig gebrochen, dissonant und verfremdet. Veloso, dem inzwischen der Vorname als Markenzeichen auf dem Albumcover reicht, spielt wiederum virtuos mit den Grundlagen aus Bossanova und Samba, die er in immer neuen Variationen auseinandernimmt und in unverkennbar ureigener Weise zusammensetzt.

Um sein auf Reduktion bedachtes Soundkonzept umzusetzen, reichen ihm drei Begleitmusiker: Pedro Sa (Gitarre), Ricardo Dias Gomes (Bass, Rhodes) und Marcelo Callado (Drums). Aus repetetiven Rhythmen, eindringlichem, bisweilen falsetthaftem Gesang und monotone Loops formt "Caetano" einen seltsam beunruhigenden Sound, der niemals in die Falle allzu gefälliger Harmonien geht. Im Gegenteil: Er dient ihm sogar zum politischen Statement ("A base de Guantánamo").

"Zii e zie" verdeutlicht mit dem konsequent durchgehaltenen Klangkonzept einmal den Einfluss, den Veloso auf seine Kollegen ausübt. Man findet seine Ideen dabei nicht nur bei anderen brasilianischen oder von der brasilianischen Musik beeinflussten Künstlern wie Vinicius Cantuaria, Arto Lindsay, David Byrne oder Jun Miyake, sondern auch in der aktuellen frankophonen Szene, etwa bei Dominique A. oder Jérôme Minière, allesamt Namen, die für höchste Ansprüche im Grenzbereich zwischen Pop, Jazz und elektronischer Avantgarde stehen.

 

© Michael Frost, 15.05.2009


[Archiv] [Up]