Wie
man den Zuhörer bereits in der ersten Minute in den Bann zieht,
dafür liefert Dominique A. mit "Tour sera comme avant",
dem Titelsong seines neuen Albums, ein Paradebeispiel. Die grandiose
Ouverture beginnt als verhaltene Pianoballade, hinter der sich jedoch
alsbald Unheil verkündende Streicher und Bläser aufbauen:
"Alles wird so sein wie vorher // wenn ihr mich wiedersehen
werdet ...", doch die Dramatik des Stückes verrät
das Gegenteil: Nichts wird mehr sein wie früher.
Und,
zwar in anderer Hinsicht, aber nicht weniger deutlich, auch bei Dominique
A. ist nichts mehr wie früher. Der elektronische Minimalismus,
mit dem er zu Beginn der 90er Jahre für das "Nouvelle Chanson"
begründete, ist wie weggeblasen. Dominique A. (eigentlich Ané)
hat erkennbar Gefallen gefunden an der "grande geste", der
Opulenz klassischer Orchester, der Melodramatik existenzialistischer
Chansons. Hier wird die Verbundenheit mit Yann Tiersen deutlich. Mit
Tiersen, der u.a. die Soundtracks zu "Die fabelhafte Welt der
Amélie" und "Goodbye Lenin" schrieb, war Dominique
A. als Sänger auf Europatour, und von Tiersens Kompositionen
ließ er sich erkennbar zu den Liedern auf "Tout sera comme
avant" inspirieren.
Begleitet
vom bulgarischen Symphonieorchester entwickelt er seine Kompositionen
zwischen Rock und Chanson zu epischen Meisterwerken. In der Komplexität
der Songstrukturen und den verschachtelten Arrangements scheint jedes
Instrument seine eigene Geschichte zu erzählen. Dominique A.
legt seine hintergründigen, poetischen, teils ironischen Erzählungen
sozusagen nur noch über den selbst gewebten Teppich aus Klängen:
Hier ein dramatisches Klavier, dort anschwellende Geigen, schließlich
eine krächzende E-Gitarre - wer mag angesichts dieser Fülle
sinnlicher Erfahrungen noch glauben, dass nach diesem Album alles
so sein wird wie vorher ?
In
der französisches Szene wird "Tout sera comme avant"
die herausragende Position von Dominique A. festigen. Das Multitalent
gehört zusammen mit Yann Tiersen, Keren Ann und Benjamin Biolay
zu den agilsten Vertretern der "Nouvelle Scène",
doch mit diesem Album geht er noch einen Schritt weiter, erobert sich
neues Terrain, und nachdem er in den 90ern zum Pionier des Elektro-Chansons
wurde, entpuppt er sich heute als Wegbereiter einer neuen Kunstform
aus französischer Tradition, Alternative Rock, Electronica, Filmmusik
und Orchesterwerk. Bräuchte man einen Namen für dieses Genre,
am treffendsten hieße es "Chanson A".
©
Michael Frost,
25.04.2004