Die
so genannte "Weltmusik" hat sich längst von der exotischen
Folkloristik zu modernen, zukunftsgewandten Genres weiter entwickelt.
Viele afrikanische Musiker begnügen sich schon lange nicht mehr
mit traditioneller Rhythmik, sondern suchen die künstlerische Auseinandersetzung
mit anderen Kulturen, mit europäischen und amerikanischen Stilen,
experimentieren mit Pop, Jazz, Chanson und Soul.
Besonders
aufgeschlossen zeigen sich dabei immer wieder weibliche Sängerinnen,
allen voran Angélique Kidjo, jüngst Coco Mbassi und jetzt
mit "Bowmboï", bereits ihrem dritten Album, auch Rokia
Traoré aus Mali. Interessanterweise starteten alle drei Frauen
ihre Karriere mit französischer Unterstützung. Rokia Traoré
wurde 1997 - noch vor der Veröffentlichung ihrer ersten CD -
von Radio France Internationale zur "Afrikanischen Entdeckung
des Jahres" gekürt. Bis dahin war sie vor allem bei privaten
Feierlichkeiten aufgetreten.
Den
Gesang für "Bowmboï" nahm sie in Paris auf, doch
die Instrumente und zusätzliche Vocals wurden fast ausschließlich
in Mali eingespielt. "Malinesische Musiker sind stolz darauf,
im Ausland aufzunehmen. Ich wollte beweisen, dass man in Mali ein
internationales Album aufnehmen kann", sagt Rokia Traoré.
Und
tatsächlich: Obwohl Traoré ausschließlich in ihrer
Muttersprache Bamana singt, ist "Bowmboï" in Album,
das international Maßstäbe setzt. Es verbindet afrikanische
Instrumente und Rhythmik mit europäischem Songwriting. Kulturelle
Gegensätze erfüllen bei Traoré nur noch den Zweck,
mit ihnen zu spielen und sie schließlich zu überwinden,
am deutlichsten herausgearbeitet in zwei Titeln: "Manian"
und dem Titelsong "Bowmboï", die Traoré in San
Francisco mit dem berühmten Kronos Quartet aufnahm. Deren tiefes
Einfühlungsvermögen ermöglicht Rokia Traoré
eine ungeahnte und faszinierende Erweiterung ihres stimmlichen Potenzials,
aber durch ihren Gesang können auch die Streicher ihre Wirkung
neu entfalten. "Fusion" sei das nicht, sagt Traoré
zu Recht: "Zusammen haben wir etwas völlig Neues geschaffen."
©
Michael Frost, 25.10.2003