"Man
legt alles bei Seite und genießt", schrieben wir 2001 angesichts
des Debüt-Albums der aus dem Kamerun stammenden Coco Mbassi.
Genauso haben wir es auch jetzt wieder gemacht. "Sisea"
ist die zweite CD der faszinierenden Sängerin mit der einfühlsamen
Soulstimme, dem Gespür für unprätenziöse Melodien
von zarter Leidenschaft.
Wer
ein Album im "typisch" westafrikanischen Weltmusikrhythmus
erwartet, wird erneut enttäuscht. Schon "Sepia" experimentierte
mit Streichersätzen, und "Sisea" wird zusätzlich
durch wiederkehrende Pianoläufe (Fred Soul) getragen, mit denen
sie die entspannte Blues-Atmosphäre ihrer Lieder unterstreicht.
Die Wahl-Pariserin (dort lebt sie seit ihrem 18. Lebensjahr) ist längst
in unterschiedlichen Kulturen zu Hause. Weder konserviert sie die
musikalischen Traditionen ihrer Heimat noch gibt es Hinweise auf etwaige
Überanpassung an die französische Szene. Percussions und
afrikanische Chorharmonien fusionieren mit verspielten Klarinetten-Sequenzen,
Saxophon, Steel-Gitarren und Marimba (Manu Dibango).
Den
Höhepunkt erreicht das Album mit dem Stück "Dube",
bei dem Coco Mbassi sich allein durch Gitarre und Saxophon begleiten
lässt. Mbassi singt über den Zusammenhang von Glauben und
Leiden. Für Christen, so Mbassi, gehöre das Leid zum Alltag,
denn auch Jesus habe für die Menschen gelitten.
Religiöse
Motive sind auf "Sisea" in hohem Maße anzutreffen.
Denn bei aller Experimentierfreude und Offenheit in musikalischer
Hinsicht bleibt Mbassi inhaltlich Traditionen und kulturellen Werten
verhaftet. "Bebotedi", das erste Stück des Albums,
ist eine demütige Verneigung vor ihren musikalischen Vorbildern,
die von Mahalia Jackson und Miriam "Mama" Makeba über
Stevie Wonder und Sarah Vaughn bis zu Händel reichen. Am Ende
des Albums steht der traditionelle Dank an die Ahnen ("Ndum"),
wie es Coco Mbassi einst von ihrem Vater gelernt hatte.
Doch
auch handfeste Themen aus der sozialen Wirklichkeit - nicht nur ihrer
Pariser Heimat - werden von ihr aufgegriffen. Ein Obdachloser, der
vergebens darauf wartet, dass sich jemand seiner annimmt ("Na
Menguele"), das Geschlechterverhältnis ("Ma kwalisane
te mo"), der Respekt vor der Natur ("Tombwa te") -
Coco Mbassi hat viel zu sagen, und sie tut dies mit ihrer immer freundlich
und ruhig klingenden Stimme, sanften Rhythmen und einschmeichelnden
Melodien. "Das Herz tanzt und die Seele singt" heißt
es treffend im Begleittext zur CD.
Wir legen alles bei Seite, damit unsere Herzen mittanzen können.
©
Michael Frost, 04. November 2003