Portishead
gründeten sich Anfang der 90er Jahre im englischen Bristol, das
mittlerweile zu einer Hochburg des TripHop avanciert ist, den sie
maßgeblich beeinflussten und voranbrachten. Die Band experimentiert
dabei mit Elementen aus Jazz und elektronischen Beats, Samples und
Scratches, die, gemeinsam mit dem unverwechselbaren Vibrato in der
Stimme von Vokalistin Beth Gibbons, einen von Einsamkeit und Elegie
geprägten Sound ergeben, der von immer mehr Bands zum Vorbild
genommen, aufgegriffen und in unterschiedlicher Qualität kopiert
wird.
Portishead
selber sind mit ihren Kompositionen sparsam und haben sich nach der
Aufnahme von ROSELAND NYC eine Schaffenspause verordnet, die auch
nach vier Jahren noch nicht beendet ist.
ROSELAND
NYC ist ein Live-Mitschnitt, der die interessantesten Stücke
der beiden voran gegangenen Studio-Alben in sich vereinigt. Für
die Aufnahmen suchte sich die Band orchestrale Begleitung, was zunächst
skeptisch macht, weil mittlerweile jede Gruppe, die etwas auf sich
hält, dazu neigt, ihre eigenen Kompositionen in einem Meer von
Geigen untergehen zu lassen und zu hoffen, durch den Auftritt mit
irgendwelchen Philharmonikern möglichst selbst zum Klassiker
zu werden.
Nicht
so Portishead: Sie gehen den umgekehrten Weg und machen die Philharmonikern
zum Bestandteil des Triphop. Die spektakulären Orchester-Arrangements
(Dirigent Nick Ingman und "Portishead"-Mitglied Adrian Utley)
unterstreichen den mysteriös-bizarren Sound der Band ebenso wie
die elektronischen Elemente, das schräge Pfeifen der Keyboards,
die Samples, und natürlich Beth Gibbons' Mark und Bein durchdringende
glasklare Stimme.
Mit
insgesamt 16 Titeln (komplett nur auf DVD und VHS, auf der CD erschienen
nur 11 Titel) umfasst das Roseland-Konzert praktisch alle wichtigen
Titel der beiden bis dahin veröffentlichten Studio-Alben der
Band. Ihre Angst, die Atmosphäre, die sie im Studio zu erzeugen
in der Lage seien, unter Live-Bedingungen nicht erzeugen zu können,
erweist sich als Irrtum. Denn "Roseland" geht vielleicht
noch einen Schritt weiter als "Dummy" und "Portishead",
ist noch dramatischer und noch mitreißender als es die Studioalben
waren: Beth Gibbons ist in Höchstform, und das Zusammenspiel
moderner Computertechnik und klassischem Orchester schafft eine ganz
neue Atmosphäre, spannungsgeladen und unter die Haut gehend.
Die
Veröffentlichung des Konzert-Mitschnitts auf DVD ist ein von
Fans lang erwartetes Ereignis. Neben dem kompletten Konzert ist einiges
an bemerkenswertem Bonus-Material enthalten, darunter die Video-Clips
zu "Numb", "Sour times", "All mine",
"Over" und "Only you" sowie
die Kurzfilme "Road Trip" und "To kill a dead man".
Letzterer war bislang nie offiziell erhältlich, sondern ein Experiment,
mit dem die Band ihre Passion für den Soundtrack von Agentenfilmen
auslebte. In dem in 60er Jahre Optik gehaltenen Schwarzweiß-Film
spielen die Bandmitglieder selbst mit.
Schließlich
gibt es auch noch eine bemerkenswerte Akustik-Version von "Wandering
star", die mit Video-Aufnahmen der Band unterlegt wurde.
Ob
es sich bei der DVD-Veröffentlichung lediglich um eine Komplettierung
des "Gesamtwerks" von Portishead handelt oder ob damit ein
Ende der Dauerpause in Sicht ist, darüber gibt es bislang keine
Informationen.
Es
gibt nicht wenige, die behaupten, Portishead sei die beste Band der
Welt. Das ist vor allem Geschmacksache, aber in jedem Fall gehört
Portishead zum innovativsten, was in der Musikbranche derzeit vertreten
ist.
Michael
Frost / 23. September 2000
Update: 28. April 2002
Die
DVD "Roseland NYC" erscheint in Deutschland am 21. Mai 2002
bei Universal.