Erin
McKeown ist fasziniert von den glamourösen Songs, die in der ersten
Hälfte des letzten Jahrhunderts in den USA entstanden. Eine ihrer
Heldinnen dieser vergangenen Epoche ist Judy Garland, mit deren "Get
Happy" (1930) Erin McKeown ihr Album "Sing you sinners"
eröffnet.
Erin
McKeown schafft es sogar, dass sich ihre eigenen Kompositionen unmerklich
in den Reigen dieser Klassiker aus Balladen, Jazz, Swing und Folk
einfügen. "Melody" etwa entstand 2004, man stellt sich
dabei aber eine ausgelassene Party im Charleston-Stil vor. Dabei begeht
die in Virginia aufgewachsene Songwriterin erfreulicherweise nicht
den Fehler der künstlichen Historisierung, sondern findet ihre
eigene Sprache.
Ein
Vergleich ihrer Adaption des wohl berühmtesten Songs des Albums
mit dem Original macht die Herangehensweise deutlich: Cole Porters
"Just one of those things". Erin McKeown verlangsamt das
Tempo, verfremdet die Melodie und ersetzt nahezu sämtliche Instrumente.
Heraus kommt ein hypnotischer, fast unterkühlter Sound, in dessen
Mittelpunkt Kontrabass und Percussions stehen. Mit feinem Gespür
für die Stimmung des Augenblicks setzt sie ihre Stimme dagegen,
und der Song gerät unter Hochspannung.
Ihre
Musik - ob alt oder neu - ist folglich ohne jede falsche Sentimentalität,
nicht rückwärts gewandt, sondern arbeitet mit heutigen Mitteln.
Ein kleines, sehr feines Ensemble aus Piano (Sam Kassirer), Bass (Todd
Sickafoose) und Drums (Allison Miller), gelegentlich zur Bigband erweitert,
unterstützt sie dabei.
In
ihrer Heimat begann Erin McKeown ihre Karriere als Sängerin in
Clubs und Bars. Die direkte, enge Atmosphäre hat sie sich - ein
seltenes Erlebnis - auch für die Studioaufnahme ihres Albums
bewahren können. "Sing you sinners" (der Titelsong
wurde 1930 im Original von Rosemary Clooney gesungen) ist das charmante
Ergebnis ihrer Vision, in der sich Gegenwart und Vergangenheit aufzuheben
scheinen: Fred Astaire, Django Reinhardt, Cole Porter, Blossom Dearie,
Judy Garland und Rosemary Clooney - Erin McKeown versammelt alle zu
einem beschwingten Revival und lässt sich von ihren Idolen hoch
leben.
©
Michael Frost, 22.09.2006