Kleine
Kinder besitzen manchmal ein Schatzkästchen, in dem sie kleine
Dinge verwahren, deren unschätzbaren Wert nur sie selber kennen.
Spielzeug, Briefe, vielleicht ein Foto, Steine oder eine Muschel -
selbst die einfachsten Gegenstände können für ihren
Besitzer ungemein wertvoll sein.
Auch
Lisa Bassenge scheint Besitzerin eines solchen Kästchens zu sein.
Und nun, wo sie es vor aller Augen (und Ohren) zugänglich macht,
steht man staunend vor den kleinen und großen Kostbarkeiten,
die es beinhaltete. Es ist wohl eine Selbstverständlichkeit,
dass Lisa Bassenge vor allem Musik verwahrte, Lieder mit einer für
sie ganz besonderen Bedeutung: eine Bedeutung, die durch ihre eigene
Interpretation hör- und fühlbar wird.
Elf
Songs enthält "A little loving" (Albumtitel), darunter
zwei eigene Kompositionen von Lisa Bassenge. Doch selbstredend liegt
auf den Coverversionen ihrer Lieblingslieder besonderes Augenmerk,
und "Overload" (im Original von den Sugababes) ist gleich
die erste Überraschung: eine Sarod (ähnlich der Sitar) gibt
dem Song eine indisch anmutende Atmosphäre.
Ganz
anders ihre Fassung eines The Cure(!)-Klassikers. Den wild-überspannten
Wave-Pop-Song "In between days" verwandelt sie in einen
traurigen, fast depressiven Sound - wie ihn die Meister des Düsterpop
selbst nur selten erreichten. "The thrill is gone", in der
Originalversion von Chet Baker ein Gänsehaut-Jazz-Evergreen,
gerät bei ihr ebenso intensiv, aber weniger resigniert, dafür
ist Lisa Bassenges Timbre zu weich und warm.
Aus
dem gleichen Grund ist auch ihre Version von Hildegard Knefs Chanson
"Ohne dich" weniger kantig. Im
Gegensatz zur Knef, der "besten Sängerin ohne Stimme"
(Ella Fitzgerald), verfügt Lisa Bassenge nämlich über
eine solche, und sie nutzt ihren Gesang, um das Lied von der pathetischen
Dramatik Knefs zu entlasten. Heraus kommt so eine fast luftige Popballade
mit erstaunlich wenig gealtertem Text, wie er auch von einer der aktuellen
Deutschpopbands stammen könnte.
So
meidet Lisa Bassenge, die das Albums in Begleitung ihrer neuen Band
einspielte, diesmal bewusst das Attribut "Jazz": Ihre Songs
haben viele Wurzeln. "Hauptsache, man hört zu und mag, was
man da hört", befindet sie. Und wer würde nicht zuhören?
Schließlich geht es um den Inhalt eines ganz besonderen Schatzkästchens.
Michael
Frost, 31. August 2006