Ein
von dicken Regentropfen beschlagenes Fenster. Dahinter steht, nur schemenhaft
erkennbar, eine junge Frau. "This time I won't look back",
singt sie, und etwas ganz Besonderes liegt in dieser Stimme, Einsamkeit,
Verletztheit. "Won't look out of the window // when the train
leaves down the track // from this town".
Jeanette
Lindström ist die junge Frau hinter dem Fenster, und die Fragilität
ihrer Stimme ist nur eine Variation. Schon mit dem zweiten, dem Titelsong
ihres Albums "Walk" lernt man eine andere Seite von ihr
kennen, und die klingt selbstbewusst und präsent. Jeanette Lindström
verfügt über eine Vielzahl von Facetten, die sich oft nur
um Nuancen voneinander unterscheiden, und mit erstaunlicher Präzision
gelingt es ihr, diese Details in ihrem Gesang spürbar werden
zu lassen.
In
Schweden, ihrer Heimat, ist Jeanette Lindström eine viel beschäftigte
Musikerin. Bereits seit Mitte der 90er Jahre, als sie gleich für
ihr Debüt "Another country" mit dem Preis für
das beste schwedische Jazz-Album des Jahres ausgezeichnet wurde, gehört
die umtriebige Sängerin zur ersten Garde der Jazzszene des Landes.
Unter anderem veröffentlichte sie ein Coveralbum mit Songs von
Sinatra und Kurt Weill.
Auf
"Walk", das inzwischen ihre vierte Solo-Veröffentlichung
ist, finden sich vorwiegend eigene Kompositionen. Lediglich "Trains
and boats and planes (Bacharach) und "The two lonely people"
(Bill Evans) stammen nicht aus ihrer Feder, fügen sich unter
ihrer Regie jedoch nahtlos in ihr Klangkonzept. Und das basiert vor
allem auf Zurückhaltung.
Zurückhaltung,
die sie sowohl sich selbst als auch ihren Musikern auferlegt. Peter
Nylander (Gitarre), Daniel Larsson (Piano), Christian Spering (Bass)
und Peter Danemo (Schlagzeug) halten sich möglichst unaufdringlich
im Hintergrund. Dadurch unterstützen sie den verhaltenen, introspektiven
Eindruck des Albums. Dennoch gibt Jeanette Lindström den Instrumentalisten
viel Raum für Soli und längere Instrumentalpassagen. Gleich
zweimal überlässt sie Nylander und Spering sowie den Gastmusikern
Staffan Svensson (Trompete) und Severi Pyysalo (Vibraphon) die digitale
Bühne für experimentelle Interludes, die den homogenen Gesamteindruck
nur noch verstärken - und gleichzeitig Einförmigkeit verhindern.
Was
bleibt? "What remains", singt Jeanette Lindström
im gleichnamigen Song, "What remains of a silent wish // is
yet to discover". Es verbirgt sich hiner einem von Regentropfen
beschlagenen Fenster und harrt seiner Entdeckung.
©
Michael Frost, 23.10.2004