cd-kritik interview:
JULIA HÜLSMANN


Ihr Auftritt im Sendesaal von Radio Bremen am 12. März hat das große Können dieser Musikerin gezeigt: Das Julia Hülsmann-Trio gemeinsam mit der italienischen Sängerin Anna Lauvergnac spielt und singt Lieder von Randy Newman. Es ist eine Hommage von starker emotionaler Kraft, die die Improvisationsbögen der Musik weit ausspannt, die dank der vorzüglichen Bass- und Rhythmusgruppe den groovenden Unterboden hervorhebt, die die eigenwillige Stimme Anna Lauvergnacs gleichberechtigt neben das alles zusammenhaltende Spiel der Pianistin stellt.
Nach dem Konzert sprach Hans Happel mit ihr.



 

 

 

Anna Lauvergnac und Julia Hülsmann Fotos:© Jörg Grosse Gelderman

 

"Wenn eine Frau Musik macht, klingt das anders, als wenn ihre Kollegen Musik spielen", hat die Pianistin Marilyn Crispell gesagt und hinzugefügt, sie müsse sich doppelt beweisen, um als Musikerin ernst genommen zu werden. Gilt das für die jüngere Generation der Jazzmusikerinnen auch noch?

Julia Hülsmann: Ich persönlich habe damit nie ein Problem gehabt. Es gibt schließlich immer mehr Frauen im Jazz. Ob Männer oder Frauen spielen, macht keinen Unterschied. Der Unterschied liegt im Charakter. Jeder Charakter spielt anders.

Aber können sich Frauen in einer klassischen Männer-Domäne genauso gut wie Männer durchsetzen?

Julia Hülsmann: Ich habe manchmal das Gefühl, dass man Frauen auch deshalb zuhört, weil sie Frauen sind. Das heißt, ich bekomme - weil ich eine Frau bin - sogar mehr Aufmerksamkeit. Aber insgesamt wird das immer weniger ein Thema.

Wo siedeln Sie Ihre Musik im Spannungsfeld zwischen Mainstream und Avantgarde an? Haben diese Begriffe noch eine Bedeutung für Sie?

Julia Hülsmann: Eigentlich nicht wirklich! Ich versuche Musik zu machen, die eine Mischung aus allem Möglichem ist. Man ist ja immer so ein Mischgebilde, und aus vielen verschiedenen Musikrichtungen, auch Pop und Klassik, versuche ich etwas Neues zu machen. Was schön wäre, wenn diese ganzen Grenzen fließender sind, dass man Grenzen aufbricht.

Sie arbeiten in Ihren letzten beiden CD-Projekten mit hochintellektuellen Texten. Welche Rolle spielt die Sprache für Ihre Musik?

Julia Hülsmann: Die Texte bestimmen die Herangehensweise. Sie geben vor, was man musikalisch macht. Ich versuche, meine Jazz-Sprache mit den Gedicht- und Liedtexten zusammenzubringen.

Was macht gerade Randy Newmans bissig-böse Songs so reizvoll für Sie?

Julia Hülsmann: Randy Newman ist ein unglaublich skurriler Liedermacher. Ich mag seine seine Vielschichtigkeit. Er trifft ja ganz selten eine klare Aussage, man muß bei ihm zwischen den Zeilen lesen. Das ist im Jazz genauso. Im Unterschied dazu ist unser eigener Beitrag auf der CD, der Song "Come closer", in seiner Schlichtheit fast ein Popsong.

Ihre Musik ist von einer heftigen Emotionalität, was beim Liveauftritt noch stärker herauskommt als in der Studioproduktion.

Julia Hülsmann: Das ist mein Ziel. Meine Musik soll berühren. Die Emotion ist elementar bei mir. Ich weiß gar nicht, ob Randy Newman meine Interpretationen gefallen würden. Er ist so subtil und sparsam. Ich spiele seine Songs viel extremer, ich verdeutliche, ich unterstreiche sie.

Aber in Ihren eigenen Piano-Improvisationen lieben Sie das lakonische Understatement...

Julia Hülsmann: Ja, ich gehe bewusst nicht bis zum Äußersten. Ich deute an, ich bleibe manchmal bei nur einem einzigen Motiv.

 




Sie haben das Talent, große Stimmen zu entdecken. Erst Rebekka Bakken, jetzt Anna Lauvergnac. Bilden Klavier und Stimme in Ihrer Musik eine Symbiose?

Julia Hülsmann: Im Moment ist das ein Zusammenspiel, das ich auch brauche. Dabei habe ich jahrelang nur im Trio gespielt und an Gesang gar nicht gedacht. Erst als ich in New York Rebekka Bakken kennen gelernt habe, fing ich an, diese sehr direkte Ausdrucksform zu schätzen.

Ihr beiden Sidemen sind Teil dieser Symbiose?

Julia Hülsmann: Ja, absolut. Ich mache kein Konzert mit einer anderen Besetzung und wenn einer krank ist, dann spielen wir nicht. Wir sind seit der letzten Tour mit Rebecca richtig zusammen gewachsen. Mit meinem Lebenspartner Marc Muellbauer spiele ich seit 1997 zusammen. Wenn man sich so viele Jahre kennt, entsteht ein anderes Musikmachen. Was ich an Marc und Heinrich Köbberling besonders schätze: Sie sind risikofreudig, da kann in einem Konzert alles passieren, wir spielen nie aus Sicherheit.

Kann man von Jazz leben?

Julia Hülsmann: Ich habe gerade eine gute Phase. Ja, ich kann im Moment von Jazz-Musik leben. Mein Ziel ist, dass es so bleibt.

Sie leben in Berlin. Eine Stadt mit aufregender Jazz-Szene?

Julia Hülsmann: Die wird in Berlin immer besser, weil immer mehr Musiker aus anderen Städten und Ländern in die Stadt kommen. Es gibt inzwischen nicht nur eine, sondern sogar mehrere Szenen und viele Kollegen, mit denen ich zusammen studiert habe, machen dort Jazz.

Sie sehnen sich nicht nach New York zurück?

Julia Hülsmann: New York steht einsam und allein auf weiter Flur. Das kann man nicht vergleichen. Man muß sich die Power, die man in New York bekommt, für Europa erhalten. Ich fahre regelmäßig dorthin, um die Inspiration oder - sagen wir mal - den "Kick" abzuholen, den ich brauche.

© Hans Happel, 13. März 2004

Weitere Konzertdaten
JULIA HÜLSMANN TRIO & ANNA LAUVERGNAC

14.03. Kiel, Kulturforum
16.03. Wien, Porgy & Bess
17.03. München, Unterfahrt
18.03. Karlsruhe, Jubez
19.03. Heidelberg, Karlstorbahnhof
21.03. Köln, Stadtgarten
30.03. Leipzig, Moritzbastei
16.04. Braunschweig, Städtisches Museum
17.04. Bielefeld, Bunker Ulmenwall

 

Rebekka Bakken
und Julia Hülsmann
© Foto: Jörg Grosse Gelderman

 

 

 

 

Julia Hülsmann Trio
& Anna Lauvergnac


Come closer
ACT MUSIC (2004)

 

Julia Hülsmann Trio
& Rebekka Bakken


Scattering Poems
ACT MUSIC (2003)

 

 

 


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