"Wenn
eine Frau Musik macht, klingt das anders, als wenn ihre Kollegen Musik
spielen", hat die Pianistin Marilyn Crispell gesagt und hinzugefügt,
sie müsse sich doppelt beweisen, um als Musikerin ernst genommen
zu werden. Gilt das für die jüngere Generation der Jazzmusikerinnen
auch noch?
Julia
Hülsmann: Ich persönlich habe damit nie ein Problem gehabt.
Es gibt schließlich immer mehr Frauen im Jazz. Ob Männer
oder Frauen spielen, macht keinen Unterschied. Der Unterschied liegt
im Charakter. Jeder Charakter spielt anders.
Aber
können sich Frauen in einer klassischen Männer-Domäne
genauso gut wie Männer durchsetzen?
Julia
Hülsmann: Ich habe manchmal das Gefühl, dass man Frauen
auch deshalb zuhört, weil sie Frauen sind. Das heißt, ich
bekomme - weil ich eine Frau bin - sogar mehr Aufmerksamkeit. Aber insgesamt
wird das immer weniger ein Thema.
Wo siedeln Sie Ihre Musik im Spannungsfeld zwischen Mainstream und
Avantgarde an? Haben diese Begriffe noch eine Bedeutung für Sie?
Julia
Hülsmann: Eigentlich nicht wirklich! Ich versuche Musik zu
machen, die eine Mischung aus allem Möglichem ist. Man ist ja immer
so ein Mischgebilde, und aus vielen verschiedenen Musikrichtungen, auch
Pop und Klassik, versuche ich etwas Neues zu machen. Was schön
wäre, wenn diese ganzen Grenzen fließender sind, dass man
Grenzen aufbricht.
Sie
arbeiten in Ihren letzten beiden CD-Projekten mit hochintellektuellen
Texten. Welche Rolle spielt die Sprache für Ihre Musik?
Julia
Hülsmann: Die Texte bestimmen die Herangehensweise. Sie geben
vor, was man musikalisch macht. Ich versuche, meine Jazz-Sprache mit
den Gedicht- und Liedtexten zusammenzubringen.
Was
macht gerade Randy Newmans bissig-böse Songs so reizvoll für
Sie?
Julia
Hülsmann: Randy Newman ist ein unglaublich skurriler Liedermacher.
Ich mag seine seine Vielschichtigkeit. Er trifft ja ganz selten eine
klare Aussage, man muß bei ihm zwischen den Zeilen lesen. Das
ist im Jazz genauso. Im Unterschied dazu ist unser eigener Beitrag auf
der CD, der Song "Come closer", in seiner Schlichtheit fast
ein Popsong.
Ihre Musik ist von einer heftigen Emotionalität, was beim Liveauftritt
noch stärker herauskommt als in der Studioproduktion.
Julia
Hülsmann: Das ist mein Ziel. Meine Musik soll berühren.
Die Emotion ist elementar bei mir. Ich weiß gar nicht, ob Randy
Newman meine Interpretationen gefallen würden. Er ist so subtil
und sparsam. Ich spiele seine Songs viel extremer, ich verdeutliche,
ich unterstreiche sie.
Aber
in Ihren eigenen Piano-Improvisationen lieben Sie das lakonische Understatement...
Julia
Hülsmann: Ja, ich gehe bewusst nicht bis zum Äußersten.
Ich deute an, ich bleibe manchmal bei nur einem einzigen Motiv.