Die
Riege nordeuropäischer Jazzsängerinnen ist klangvoll und
hat eine lange Tradition. Erst jüngst erfuhr man, dass selbst
die finnische Schlagersängerin Carola ihre Karriere mit Jazz-Standards
begann. Heute sind es vor allem Namen wie Rebekka Bakken, Viktoria
Tolstoi oder Rigmur Gustafsson, die den aktuellen Vocal-Jazz prägen
und dabei immer wieder und verstärkt die Grenzen zum Pop nicht
nur streifen, sondern gezielt übertreten.
Jeanette
Lindström, auch sie inzwischen einer der profiliertesten Namen
der schwedischen Jazz-Gemeinde, geht überraschend den entgegengesetzten
Weg. Nach ihrem preisgekrönten Debüt ("Another country",
1995), Ausflügen in das Repertoire von Frank Sinatra und Kompositionen
von Kurt Weill und dem stillen Album "Walk" (2003) erscheint
mit "In the middle of this riddle" ein Album, das eben nicht
die Fusion mit der Popkultur und damit vielleicht auch den kommerziellen
Durchbruch sucht.
In
den Mittelpunkt stellt Jeanette Lindström den eigenen Ausdruck,
und ihre Fähigkeit, mit Stimme und Stimmung umzugehen, ist faszinierend.
Sämtliche Titel des Albums schrieb sie selbst (einzige Ausnahme:
"When things get real" von Marshall Glover), begleitet von
ihrer inzwischen angestammten Band mit Peter Nylander (Gitarre), Daniel
Karlsson (Piano), Christian Spering (Bass), Peter Danemo (Schlagzeug)
und Staffan Svensson (Trompete).
Die
glänzend aufgelegten Musiker werden allein von der leuchtenden
Stimme Lindströms überstrahlt, die ihr ganzes Können
bereits im zweiten Stück "From this tower" in einer
Art Wettbewerb mit Svenssons Improvisationskunst unter Beweis stellt.
"From
this tower" ist zugleich das temporeichste Stück des Albums,
das immer wieder zwischen lebendigeren und eher introspektiven Abschnitten
wechselt, in denen sowohl Jeanette Lindströms Gesang als auch
die Instrumentalparts ihrer Begleiter viel Freiraum haben, den sie
weniger zur Selbstdarstellung nutzen als vielmehr der Idee einer gemeinsam
getragenen Atmospähre. Auch die ist selbstredend vor allem auf
Jeanette Lindström selbst zurückzuführen: sie ist nicht
nur Autorin und Komponistin, sondern auch Arrangeurin des kompletten
Albums.
Nicht
zuletzt dieser Umstand - neben dem konsequenten Bekenntnis zum Jazz,
das sie mit "In the middle of this riddle" abliefert - katapultiert
sie endgültig in die erste Reihe, nicht nur der nordischen Jazzszene,
sondern weit darüber hinaus.
©
Michael Frost, 25.10.2005