Mit
fünf übte sie im heimischen Wohnzimmer auf Papas Klavier.
Damals, in Quebec, der französischsprachigen Hauptstadt der gleichnamigen
Provinz in Kanada, spielte sie einfach nach, was sie von ihrem Vater
gehört hatte: vor allem Chopin.
Etwas
anderes als eine musikalische Laufbahn scheint für Jorane nie
in Frage gekommen zu sein. Das Cello wurde zu ihrer großen Liebe,
als sie neunzehn war. Eines Tages begann sie, gleichzeitig auf dem
voluminösen Instrument zu spielen und zu singen. Ein künstlerischer
Ausdruck war geboren, wie es ihn bis dahin nicht gab. Jorane, die
singende Cellistin, eine Besessene, die oft 8 Stunden am Tag übte
- und keineswegs beabsichtigte, sich auf die Interpretation klassischer
Musik zu beschränken.
In
Deutschland machte Jorane erstmals 2003 von sich reden, als ihre Compilation
"Jorane" erschien. In der Folge dieser Veröffentlichung
trat sie im Vorprogramm der Tour von Noa auf.
In Nordamerika gilt Jorane vielen Fans und Kritikern bereits als eine
Art "Tori Amos mit Cello". In der Tat sind die Parallelen
nicht von der Hand zu weisen: Beide scheren sich nicht um die klassischen
Gesetze, die für ihre Instrumente gelten. Zeitweise bearbeitet
Jorane das Cello wie eine Berserkerin, entlockt ihm ein Maß
an unbändiger Wildheit, dass man ihm einerseits nie zugetraut
hätte, und das andererseits den Puristen (und den Instrumentenbauern)
die Haare zu Berge stehen lassen dürfte: Was an Tönen aus
dem Lautsprecher kommt, das deutet auf extreme Gefühlswallungen
hin, die durch das Instrument zu einer eigenen Sprache werden, die
mit der Stimme der Musikerin in permanenter Verbindung steht: Kommunikation
in Erst- und Zweitsprache, gleichzeitig, ausgedrückt durch dieselbe
Person.
Für
Jorane ist das Cello mehr als nur ein Instrument, dem man mehr oder
minder harmonische Töne entlocken kann. Es ist ein Medium, ihr
Medium, um sich auszudrücken und mit der Welt in Kontakt zu treten.
Sie tut dies nicht auf eine abstrakte, intellektualiserte Weise, sondern
sehr direkt, persönlich, intim. "Die Freiheit, meinen eigenen
Stil zu prägen und zu bewahren war mir immer unendlich wichtig",
sagt sie. In Michael Brook habe sie einen Produzenten gefunden, der
sie verstanden und bestärkt habe, ihren Sound in ganz verschiedene
Richtungen zu erweitern. So wurde Joranes aktuelles Album "The
you and the now" zu einer ungemein vielschichtigen und abwechslungsreichen
Produktion, auf der sowohl veritable Popsongs (u.a. eine Coverversion
des Donna Summer-Hits "I feel love") zu finden sind als
auch düster-elegische Klänge ("Good luck - Arene")
und Panorama-Sound ("Blue planet"). Abgerundet wird "The
you and the now" durch ein Duett mit Daniel Lanois in französischer
Sprache ("Pour ton sourire").
Im
November wird Jorane ihr neues Album live vorstellen. Sie kommt für
fünfzehn Konzerte nach Deutschland. Wer schon immer einmal wissen
wollte, was man aus einem Cello alles herausholen kann, sollte sich
diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
©
Michael Frost, 29. September 2004